Ivanhoe
Knappen, die nur mit Mühe und Gefahr während des Kampfes ihren Herren hatten beistehen können, eilten jetzt in die Schranken und brachten den Verwundeten Hilfe, die nun behutsam und mit Sorge in die nahen Zelte getragen wurden oder in die Wohnungen der nächsten Ortschaft.
Und so war denn das berühmte Turnier von Ashby de la Zouche vorüber – eines der größten Waffenfeste jener Zeit, denn wenn auch nur vier Ritter tot auf dem Platze geblieben waren, von denen einer durch das Gewicht seiner Rüstung erdrückt worden war, so waren doch etwa dreißig schwer verletzt, von denen etwa fünf nie wieder genasen. Einige blieben Krüppel zeit ihres Lebens, einige wurden zwar wieder gesund, behielten aber bis zum Tode die Male dieses Kampfes an ihrem Leibe.
Nun war es die Pflicht des Prinzen, den Ritter zu ernennen, der an diesem zweiten Tage am tapfersten gekämpft hatte. Er sprach den Preis dem Ritter zu, den das Publikum den schwarzen Faulpelz genannt hatte. Es wurde dagegen eingewendet, daß eigentlich der Enterbte der Sieger sei, denn er habe mit eigener Hand fünf Kämpfer niedergeworfen und zuletzt noch den Führer der Gegenpartei besiegt, aber Prinz Johann blieb bei seiner Entscheidung. Er meinte, der Enterbte und seine Partei hätten verloren, wenn ihm nicht der Ritter in der schwarzen Rüstung zu Hilfe gekommen wäre, daher gebühre ihm der Preis. Zur allgemeinen Verwunderung aber stellte es sich heraus, daß der Noir-Fainéant verschwunden war. Gleich nach dem Schlusse des Turniers hatte er die Schranken verlassen, und einige aus dem Publikum hatten ihn in eine der Lichtungen im Walde hinabreiten sehen mit eben jener Nachlässigkeit und Gemächlichkeit, die ihm den Beinamen schwarzer Faulpelz eingetragen hatte. Zweimal wurde er durch Trompetenstoß und Heroldsruf aufgefordert, zurückzukehren, da er dennoch nicht erschien, mußte ein anderer ernannt werden, und es blieb nun dem Prinzen Johann nichts weiter übrig, er mußte dem enterbten Ritter den Preis zusprechen. Der Boden, über den die Marschälle den Sieger zu den Füßen des Prinzen führten, war von Blut getränkt und bedeckt von toten Rittern und Pferdekadavern und übersät mit zerbrochenen Waffen und Lanzensplittern.
»Enterbter Ritter,« sprach Prinz Johann ihn an, »denn dies ist der einzige Name, bei dem wir Euch nennen können, Ihr selber wollt es ja nicht anders, zum zweitenmal sprechen wir Euch die Ehre des Turniers und das Recht zu, den so wohlverdienten Ehrenkranz aus den Händen der Königin der Minne und des Liebreizes zu empfangen.« Der Ritter verneigte sich tief, gab aber keine Antwort. Laut schmetterten die Trompeten, die Herolde riefen: »Ehre dem Tapferen! Ruhm dem Sieger!«, die Damen winkten mit Tüchern und Schleiern, während die Marschälle den Enterbten zum Ehrenthrone geleiteten, auf dem Lady Rowena saß, und auf den untersten Stufen mußte der Sieger niederknien.
Voll Anmut und Majestät stieg Rowena von ihrem Throne hernieder und wollte eben den Kranz, den sie in der Hand hatte, auf den Helm des Knienden setzen, als die Marschälle riefen: »Nicht so! Sein Haupt muß unbedeckt sein!« Der Ritter murmelte ein paar Worte, die unverstanden in der Wölbung seines Helmes verklangen. Er hatte wohl den Wunsch äußern wollen, daß man ihm nicht das Haupt entblößen möge. Aber ob es die Vorschrift erheischte, oder ob es die Marschälle aus Neugierde taten, sie achteten nicht seines Sträubens und nahmen dem Ritter den Helm ab, und da zeigte sich das sonnverbrannte, doch hübsche Gesicht eines etwa fünfundzwanzigjährigen Mannes mit kurzem, vollem Haar. Er war bleich wie der Tod, sein Antlitz war an mehreren Stellen von Blut bedeckt. Kaum sah Rowena sein Gesicht, so stieß sie einen Schrei aus, aber sie faßte sich sogleich wieder, und obwohl sie unter der jähen Erschütterung am ganzen Leibe bebte, drückte sie doch dem Sieger auf das zur Erde gesenkte Haupt den Kranz und sprach mit klarer, deutlicher Stimme die Worte:
»Herr Ritter, ich kröne Euch mit diesem Kranze, dem Preise der Tapferkeit, der dem Sieger dieses Tages zukommt, und« – setzte sie fest und bestimmt hinzu – »noch nie ward eine dessen würdigere Stirn mit einem Ritterkranz geziert.«
Der Ritter küßte der Königin der Minne und des Liebreizes die Hand, die ihm eben den Lohn seiner Tapferkeit gegeben hatte, und plötzlich sank er in sich zusammen und lag zu ihren Füßen. Es war der Ritter Ivanhoe! Die Bestürzung war allgemein. Cedric, der bei dem
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