Ivanhoe
Land, und wir werden ja sehen, wie wenig alle Sorge und Mühe Cedrics helfen wird. – Hierher, hierher!« rief er, wieder die Stimme erhebend. »Halloh, halloh! wacker, Packan! Nu hast du sie alle beisammen und treibst sie weiter vor dir her!«
»Gurth,« sagte der Narr, »du hältst mich für 'n ganz dummen Kerl, sonst tätest du nicht so leichthin deinen Kopf zwischen meine Zähne stecken. Ich brauchte Reginald Front- de-Boeuf oder Philipp von Malvoisin nur ein Wort zu sagen, daß du verräterische Pläne gegen die Normannen geäußert hättest, und du bist deiner Würde als Schweinehirt entsetzt und wirst bald an einem dieser Bäume hängen zum abschreckenden Exempel für alle, die über hohe Herren übles Gerede führen.«
»Du Hund du!« knurrte Gurth. »Du wirst mich doch nicht verraten, nachdem du mich erst dazu verleitet hast, so zu reden?«
»Dich verraten!« antwortete der Narr. »Gott bewahre! Das wär nur was für einen gescheiten Menschen, ein Narr weiß nicht, wie er das anzufangen hätte. Doch still! wer ist das?« setzte er hinzu, indem er auf die Hufschläge von Pferden hörte, die deutlich zu vernehmen waren.
»Mir einerlei,« erwiderte Gurth, der jetzt seine Herde, von seinem Hunde unterstützt, durch einen Baumgang vor sich hertrieb, in dem es schon dunkel geworden war.
»Ich will aber die Reiter sehen,« sagte Wamba, »am Ende sind sie aus dem Feenlande und bringen Botschaft von Oberon.«
»Hol dich der Henker!« rief der Schweinehirt. »Wie kannst du nur solch Unsinn schwatzen, wo wenig Meilen von hier 'n fürchterliches Unwetter mit Blitz und Donner niederprasselt. Hör nur, wie der Donner rollt! Nie sah ich bei nem Sommerregen so dicke Tropfen schnurgerade runterfallen. Hier ist zwar noch alles still, aber schon rauschen die alten Eichen vorm Sturm, und in ihren Ästen stöhnts und knackts. Beiß du den Furchtlosen raus, wenn du Lust hast, aber hör diesmal auf mich und laß uns heimgehen, ehs Gewitter losbricht. Das wird ne entsetzliche Nacht!«
Wamba entzog sich dieser Mahnung nicht und folgte seinem Gefährten, der einen Stock vom Rasen aufgehoben hatte, nun wacker durch die Lichtung fürbaß schritt und die ganze Herde, die einen höchst unmelodischen Lärm machte, mit Hilfe seines Hundes vor sich hertrieb.
Zweites Kapitel.
Allen Aufforderungen und Scheltworten seines Gefährten zum Trotz, konnte Wamba nicht umhin, alle Augenblicke auf der Straße stehen zu bleiben, weil das Pferdegetrappel immer näher kam. Bald riß er von einem Haselstrauch ein paar halbreife Haselnüsse ab, bald sah er einem Bauernmädchen nach, das seinen Weg kreuzte. Die beiden wurden daher bald von den Pferden und Reitern eingeholt.
Es waren zehn an der Zahl. Die zwei, die vorweg ritten, schienen hervorragende Personen zu sein, während die anderen wohl das Gefolge bildeten. Es war nicht schwierig, Charakter und Beruf des einen von diesen beiden Männern zu erkennen. Er war ohne Zweifel ein Geistlicher von hohem Range. Er trug die Gewandung eines Cisterziensermönches, nur aus feinerem Stoff, als es die Ordensregel erlaubt. Kutte und Kappe waren aus bestem Flamänder Tuch und fielen in weiten geschmackvollen Falten um seine hübsche, obwohl etwas beleibte Gestalt. Wie in dieser seiner Art, sich zu kleiden, keinerlei Verschmähung weltlichen Glanzes lag, so zeigte auch sein Gesicht keinen Zug der Selbstverleugnung. Seine Physiognomie hätte man anheimelnd nennen können, wenn nicht ein epikuräisches Blinzeln, das unter dem gesenkten Lide schlummerte, den versteckten Wollüstling verraten hätte. Außerdem hatte er sich in seinem Amt und dank seinen Verhältnissen eine strenge Herrschaft über seine Züge zu eigen gemacht, und er konnte nach Belieben zu jeder Zeit eine feierliche Miene aufsetzen, obgleich der natürliche Ausdruck seines Gesichtes gutgelaunte, gemütliche Gleichgültigkeit und Duldsamkeit war. Den Ordensbestimmungen und den Edikten der Päpste und Konzilien entgegen, waren die Ärmel seines Talars mit kostbarem Pelz besetzt und gefüttert, den Mantel hielt am Halse ein prachtvolles Schloß fest, und seine ganze Ordenstracht war verfeinert und ausgeschmückt. Dieser würdige Diener der Kirche ritt auf einem wohlgenährten Maultier, dessen Zaumzeug schön und reich verziert war; der Zaum selber war nach damaligem Brauch mit silbernen Glöckchen besetzt. Er saß nicht mit der Unbeholfenheit eines Klosterbruders, sondern mit der Haltung eines geübten Reiters im Sattel. Allerdings schien er den
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