Ivanhoe
gewesen, und da fällt mir ein, es besteht dort die Sitte, daß jeder, der einen Gast bewirtet, die Speise mit ihm teilt, um ihn davon zu überzeugen, daß die Speise unschädlich ist. Es sei nun zwar ferne von mir, einem heiligen Manne mit solchem Verdacht nahezutreten, aber ich wäre Euch doch sehr dankbar, wenn Ihr diesen morgenländischen Brauch mitmachen wolltet.«
»Um Eure unangebrachten Bedenklichkeiten zu beseitigen,« versetzte der Eremit, »will ich diesmal von meiner Regel abweichen.« Und da es zu jener Zeit noch keine Gabeln gab, griff er ohne weitere Umstände mit beiden Fäusten in die Pastete hinein. – Das Eis war nun gebrochen, und Wirt und Gast schienen miteinander zu wetteifern, wer den besseren Appetit zeigen würde. Obwohl der letztere wohl die längere Zeit gefastet hatte, tat es ihm der erstere doch zuvor.
»Heiliger Mönch,« sagte der Ritter, als er seinen Hunger gestillt hatte, »ich wette mein gutes Pferd gegen eine Zechine, daß eben der biedere Waldhüter, dem wir das Wildbret verdanken, Euch auch einen Schluck Wein oder einen Rest Sekt dagelassen hat, die zu dieser Pastete passen. Das sind nun freilich Dinge, die es ganz und gar nicht verdienen, daß sich das Gedächtnis eines strengen Anachoreten mit ihnen befasse. Aber denkt doch mal ein wenig nach, und ich bin überzeugt, Ihr werdet finden, daß ich recht habe.« Der Eremit lächelte nur. Er ging noch einmal nach der geheimen Zelle und brachte eine lederne Flasche hervor, die wohl vier Quart fassen mochte, und zwei Trinkschalen aus dem Horn des Auerochsen mit Silbereinfassung. Als er diese Anstalten, das Nachtmahl hinunterzuspülen, getroffen hatte, meinte er, allen Zwang nunmehr ablegen zu dürfen, füllte beide Becher und rief auf sächsisch: »Euer Wohl, Herr Faulpelz!« und leerte seinen Becher auf einen Zug. – »Euer Wohl, heiliger Mönch von Copmanhurst!« antwortete der Kriegsmann und tat seinem Wirt auf dieselbe Weise Bescheid.
»Heiliger Mann,« sagte der Ritter, nachdem der erste Becher getrunken war, »es wundert mich in hohem Maße, daß sich ein Mann von so gewaltigen Sehnen und Knochen, wie Ihr, in eine solche Wildnis vergraben kann. Meiner Meinung nach habt Ihr mehr Geschick, ein Schloß oder eine Festung zu verteidigen, gut zu essen und tüchtig zu trinken, als hier von Hülsenfrüchten und Wasser und der Mildtätigkeit des Waldhüters Euer Dasein zu fristen. Wenigstens wüßte ich mich an Eurer Stelle mit dem herrschaftlichen Wild schon zu versorgen, es läuft ja herdenweis herum, und wenn sich der Kaplan des heiligen Dunstan einmal einen Rehbock fängt, so wird das nichts weiter ausmachen.«
»Herr Faulpelz,« entgegnete der Einsiedler, »dies sind gefährliche Worte, und ich bitte Euch, seid davon still, ich bin ein Eremit, der dem König und seinen Gesetzen treu ist, und wenn ich meines Lehnsherrn Wild stehlen wollte, so käme ich sicherlich ins Gefängnis, und selbst meine Kutte würde mich nicht vor dem Henker schützen.«
»Davon abgesehen,« antwortete der Ritter. »Wenn ich in Eurer Lage wäre, so ginge ich beim Mondschein umher, wenn der Förster und die Hüter in ihren warmen Betten liegen, und dann und wann so zwischen einem Gebete durch ließ ich meinen Pfeil auf die Herden von Wild los, die auf den Lichtungen im Walde äsen. – Sagt mir, heiliger Mann, habt Ihr nicht dann und wann solchen Zeitvertreib geübt?«
»Freund Faulpelz,« versetzte der Mönch. »Ihr habt in meinem Haushalt alles gesehen, was Euch angeht, und mehr noch, als einer verdient, der sich mit Gewalt Quartier verschafft. Aber glaubt mir, es ist besser, Ihr genießet, was Euch Gott bietet, und forscht lieber nicht neugierig nach, von wannen es kommt. Gießt Euern Becher voll, und seid mir willkommen, aber nötigt mich nicht durch fernere Zudringlichkeiten, daß ich Euch zeigen muß, daß Ihr nie in meine Behausung hineingekommen wäret, wenn ich Euch ernstlich Widerstand geboten hätte.«
»Meiner Treu,« entgegnete der Ritter, »Ihr macht mich neugieriger als je. Ihr seid der schnurrigste Eremit, der mir je begegnet ist, und ich will Euch noch genauer kennen lernen, ehe ich wieder gehe. Was aber Eure Drohung anbetrifft, so wisset, Ihr sprecht zu einem, dessen Amt es ist, Gefahren aufzusuchen, wo sie sich auch immer finden lassen.«
»Ich trinke Euch zu, Herr Faulpelz!« sagte der Mönch, »und achte Eure Tapferkeit, doch von Eurer Verschwiegenheit halte ich nicht viel. Wenn Ihr Euch aber mit gleicher Waffe mit mir messen
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