Ivanhoe
der Räuberbande entspann sich nun folgendes Zwiegespräch:
»Es ist nun Zeit, daß Ihr uns verlaßt, Sir Moritz,« sagte der Templer zu Bracy. »Ihr müßt nun den zweiten Akt Eurer Mysterie spielen. Ihr wißt, Ihr sollt jetzt als befreiender Ritter auftreten.«
»Ich habe mirs anders überlegt,« antwortete de Bracy, »ich will Euch nicht eher verlassen, als bis ich meine Beute in Front-de-Boeufs Schlosse untergebracht und wohlgeborgen habe. Dort will ich in meiner wahren Gestalt vor Lady Rowena erscheinen, und sicher wird sie der Inbrunst meiner Liebe die Gewalttat, die ich mir habe zu schulden kommen lassen, zugute halten.«
»Und weshalb habt Ihr Euern Plan geändert?« fragte der Templer.
»Das geht Euch nichts an,« war die trockene Antwort.
»Ich hoffe, Herr Ritter,« erwiderte der Templer, »es hat Euch zu dieser Maßregel nicht das Mißtrauen bewogen, das Euch Fitzurse gegen mich eingeflößt hat?«
»Was ich denke, ist meine Sache,« sagte de Bracy, »das Sprichwort heißt, wenn ein Dieb den andern bemaust, hat der Teufel sein Gaudium. Was Sitte und Recht im Templerorden gelten, ist mir wohlbekannt, und ich will mich nicht um die schöne Beute betrügen lassen, um die ich soviel gewagt habe.«
»Bah!« machte der Templer. »Ihr kennt doch die Gesetze unseres Ordens.«
»Sehr genau sogar,« versetzte de Bracy, »und ich weiß auch, wie sie gehalten werden. In dieser Angelegenheit kann ich mich nicht auf Euer reines Gewissen verlassen.«
»Hört denn die Wahrheit!« sagte der Templer. »Ich frage nichts nach Eurer blauäugigen Schönheit, in ihrem Zuge ist eine, die mir weit besser gefällt.«
»Ihr meint doch nicht etwa die schöne Jüdin?«
»Und wenn ich sie meinte, wer sollte mir entgegentreten oder was mich hindern?«
»Ich wüßte nicht, was, es sei denn Euer Gelübde,« antwortete Bracy, »oder Euer Gewissen, das sich vielleicht dagegen sträubt, einen Liebeshandel mit einer Jüdin zu begehen.«
»Meines Gelübdes wegen,« entgegnete der Templer, »hat mir mein Großmeister Ablaß erteilt, und was das Gewissen betrifft, so macht sich einer, der an die zweihundert Sarazenen erschlagen hat, keine Kopfschmerzen wegen eines kleinen Fehltrittes wie eine Dorfschöne bei der Beichte am Heiligabend. Seid Ihr nun beruhigt, und wollt Ihr nun bei Euerm ersten Vorhaben bleiben? – Ihr habt, wie Ihr seht, nicht zu befürchten, daß ich Euch ins Gehege komme.«
»Nein, nein!« versetzte Bracy. »Ich ändere nichts mehr an meinem Plane. Was Ihr da sagt, mag schon Euer Ernst sein. Aber ich bin kein Freund von solchen Vorrechten, die Euch der Ablaß Euers Großmeisters erteilt hat, auch nicht von solchen Vergünstigungen, die Euch zukommen, weil Ihr ein paar hundert Sarazenen totgeschlagen habt. Ihr habt viel zu viel Anrecht auf Generalpardon, als daß Ihr Euch an Kleinigkeiten stoßen würdet.«
Inzwischen bemühte sich Cedric vergebens, von den Knappen, die ihn bewachten, zu erfahren, wem sie angehörten und was sie mit ihnen vorhätten. Die Kerle hatten zu triftigen Grund, Stillschweigen zu bewahren, und ließen sich weder durch Zorn noch durch Bitten zum Reden bewegen. Sie verfolgten in großer Eile ihren Weg, bis endlich durch eine Allee von gewaltigen Bäumen Torquilstone, das alte verwitterte Schloß Reginald Front-de-Boeufs in Sicht kam. Als Cedric die wohlbekannten Türme und die grauen, moosbewachsenen Zinnen erblickte, die in der Morgensonne durch den Wald leuchteten, da ward es ihm ein wenig klarer, wem er sein Unglück zuzuschreiben habe.
»Ich habe den Dieben und Räubern dieser Wälder unrecht getan,« sagte er, »als ich des Glaubens war, daß diese Banditen zu ihnen gehörten. Geradesogut hätte ich die Füchse dieser Forsten mit den reißenden Wölfen Frankreichs verwechseln können. – Sagt mir, ihr Hunde, trachtet Euer Herr nach meinem Leben oder hat er es auf meinen Reichtum abgesehen? – Ist es ihm ein Dorn im Auge, daß zwei edle Sachsen, Athelstane und ich, in einem Landstrich Grund und Boden besitzen, der früher ihren Ahnen ganz gehört hat? – Macht mich kalt und vollendet eure Niedertracht, indem ihr mir das Leben nehmt, wie ihr mir die Freiheit genommen habt. Wenn Cedric der Sachse England nicht befreien kann, so will er doch sein Leben für England lassen. – Sagt euerm tyrannischen Herrn, er solle nur Lady Rowena in Ehren wieder ziehen lassen. Sie ist ein Weib, und vor ihr braucht er keine Angst zu haben, denn mit uns sterben alle, die für sie ein Schwert ziehen
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