Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
Vom Netzwerk:
Schicksal wird dasselbe sein; denn du hast mit Menschen zu tun, die weder Gewissen noch Erbarmen kennen. Fahr wohl, sage ich, mein Faden ist abgesponnen, dein Tagewerk geht erst an.«
    »Bleib, bleib, um Himmels willen,« rief Rebekka, »geschieht es auch, um mir zu fluchen. – Deine Gegenwart ist doch ein Schutz.«
    »Selbst die Gegenwart der Mutter Gottes wird hier kein Schutz sein,« antwortete die Alte, indem sie auf ein Marienbild zeigte; »hier steht sie, schau, ob sie das Schicksal abwenden wird, das dich erwartet.«
    Sie verließ das Zimmer, indem sie ihr Gesicht zu einem höhnischen Lächeln verzog. Sie verschloß die Türe hinter sich und Rebekka konnte bei jedem Schritt, den sie langsam und mühsam die steile Turmtreppe hinunter tat, ihre Flüche und Verwünschungen hören.
    Rebekka hatte ein weit furchtbareres Schicksal als Rowena zu erwarten; denn wie konnte sie hoffen, daß man Milde und Anstand gegen ein Mädchen ihres Stammes üben würde, von denen man der sächsischen Erbin doch nur einen Schatten zeigte? Sie hatte als Jüdin den Vorteil, daß sie durch Nachdenken und Charakterstärke besser auf die ihr drohenden Gefahren vorbereitet war. Schon in früher Jugend hatte sich bei ihr ein ernster Charakter offenbart, der es liebte, den Dingen auf den Grund zu sehen. Die Pracht und der Reichtum, den sie im Hause des Vaters sah, hatten sie nicht blenden können, und wohl erkannte sie die Gefahr, in der sie inmitten all dieses Glanzes lebten. Wie Damokles bei seinem berühmten Gastmahle, sah Rebekka immer das Schwert, das über dem Haupte ihres Volkes an einem einzigen Haare hing. Unter solchen Betrachtungen war ihr Gemüt – während ein anderes Herz in ihren Verhältnissen vielleicht stolz, trotzig und hochfahrend geworden wäre – zu stiller Nachdenklichkeit und sanfter Denkweise gekommen. Das Vorbild ihres Vaters hatte sie gelehrt, gegen alle, die ihr nahten, höflich zu sein. Sie konnte zwar nicht seine tiefe Unterwürfigkeit zeigen, weil ihr alle Niedrigkeit der Gesinnung wie auch gewohnheitsmäßige Furchtsamkeit fremd war, aber in ihrem Wesen lag eine stolze Demut, als unterwerfe sie sich den traurigen Verhältnissen, mit denen sie sich als eine Tochter eines verachteten Volkes abfinden müsse, während sie sich in ihrem Innern bewußt war, daß sie nach Verdienst auf einer höheren Rangstufe stehen müsse. Also gefaßt auf widrige Schicksalswendungen, war die Kraft in ihr, sich dagegen zu wappnen. Bei ihrer gegenwärtigen Lage mußte sie ihre volle Geistesgegenwart bewahren und faßte sich rasch.
    Zunächst untersuchte sie das Gemach, in das sie gebracht worden war. Sie konnte nicht hoffen, daraus entfliehen zu können, denn es fand sich darin weder ein geheimer Gang noch eine Falltür, die Tür selber hatte innen weder Schloß noch Riegel. Das einzige Fenster führte auf einen kleinen, von Zinnen umgebenen Söller hinaus, in dessen Brustwehr ein paar Plätze für Bogenschützen angebracht waren. Er lag einsam und in steiler Höhe. Rebekka hatte daher keine Hoffnung, aber sie bewahrte ihre Fassung. Nichtsdestoweniger erzitterte sie und erbleichte, als ein Schritt auf der Treppe erklang und sich gleich darauf die Tür langsam öffnete.
    Ein großer Mann trat zaudernd herein, der die Kleidung jener Banditen trug, von denen sie geraubt worden war. Er schloß die Tür hinter sich. Die Mütze hatte er tief im Gesicht, und ein Mantel, den er dicht umgehüllt hatte, verhüllte seine Gestalt. In dieser Verkleidung trat er vor die erschrockene Gefangene, ganz als führe er etwas im Schilde, dessen er sich schämte und wisse nicht recht, wie er sein Vorhaben beginnen sollte. So war es Rebekka möglich, ihm zuvorzukommen. Schnell hatte sie zwei kostbare Armbänder und ein Halsgeschmeide losgemacht, und bot dies dem Geächteten an, um seine Habsucht zufriedenzustellen und ihn für sich zu gewinnen.
    »Nimm das,« sagte sie, »und habe um Gottes willen Erbarmen mit mir und meinem alten Vater. Diese Schmucksachen sind sehr wertvoll, aber sie sind nur eine Kleinigkeit gegen das, was wir geben wollen, wenn man uns frei und unangetastet aus diesem Schlosse läßt.«
    »Schöne Blume Palästinas,« versetzte der Räuber, »diese Perlen sind zwar aus dem Orient, aber sie sind nichts gegen deine weißen Zähne, diese Diamanten haben zwar ein herrliches Feuer, aber sie können doch nicht verglichen werden mit deinen Augen, und solange ich dieses wilde Handwerk treibe, habe ich ein Gelübde getan, die Schönheit dem

Weitere Kostenlose Bücher