Ivanhoe
einem heiligen Manne, dem Diener Gottes und unserer lieben Frau und des heiligen Dunstan, in der Kapelle von Copmanhurst.« Unter diesem Schreiben stand zuerst die grobe Zeichnung eines Hahnenkopfes mit Kamm und mit einer Umschrift, an der dieses Zeichen als Signatur Wambas, des Sohnes von Ohnewitz, zu erkennen war. Unter diesem Ehrfurcht gebietenden Sinnbilde stand ein Kreuz statt einer Unterschrift, das war das Zeichen Gurths des Schweinehirten, des Sohnes Beowulfs. Dann kamen in kühnen energischen Zügen die Worte Le Noir Fainéant – und zum Schluß ein zierlich gezeichneter Pfeil als Zeichen Locksleys.
Die Ritter hörten dieses seltsame Schriftstück an und starrten sich dann stillschweigend an, als könnten sie gar nicht gescheit daraus werden. Bracy war der erste, der das Schweigen brach, indem er ein unmäßiges Gelächter anstimmte, in das der Templer mit etwas mehr Ruhe einfiel, während Front-de-Boeuf über ihre vorschnelle Lustigkeit ein wenig ungehalten schien. »Ihr tätet besser daran, meine Herren,« sagte er, »wenn ihr bedächtet, was wir in dieser Lage tun sollen, statt daß ihr so kreuzfidel seid, wo gar kein Grund dazu vorliegt.«
»Seit seinem letzten Sturze ist Front-de-Boeuf nicht wieder der alte geworden,« sagte de Bracy zu dem Templer, »der bloße Gedanke an eine Herausforderung jagt ihm Entsetzen ein, selbst wenn sie von einem Narren und einem Schweinehirten kommt.«
»Beim heiligen Michael!« versetzte Front-de-Boeuf, »ich wollte, Ihr würdet mit dieser Geschichte allein fertig, de Bracy. Diese Schufte würden nicht so unverschämt handeln, wenn sie nicht bedeutende Unterstützung hätten. In diesen Wäldern hausen viele Geächtete, die es auf mich abgesehen haben, weil ich scharf hinter ihrer Wilddieberei her bin. Als ich einmal einen Kerl, den ich auf frischer Tat ertappte, an das Geweih eines Hirsches binden ließ, der ihn in fünf Minuten totgebohrt hatte, da schwirrten mir gleich soviel Pfeile um die Ohren, wie in Ashby am Ziele vorbeiflogen. – Hierher, Bursche!« rief er seinem Diener zu. »Hast du jemand ausgeschickt, um zu sehen, durch welche gewappnete Macht diese hochfahrende Herausforderung unterstützt wird?«
»Es sind mindestens zweihundert Mann im Walde versammelt,« antwortete der Knappe.
»Das ist eine schöne Schweinerei,« sagte Front-de-Boeuf. »Das kommt davon, daß ich Euch mein Schloß für Eure Anschläge eingeräumt habe. Ihr könnt nichts geheimhalten, und nun habt Ihr mir dieses Wespennest auf den Hals gehetzt.«
»Ein Wespennest?« erwiderte de Bracy, »das sind ja nur Drohnen, die keinen Stachel haben, eine Horde von faulem Gesindel, das lieber im Walde haust und Wild stiehlt, als daß es sich von ihrer Hände Arbeit ernährt.«
»Schämt Euch, Herr Ritter,« sagte der Templer, »wir wollen unsere Leute zusammenrufen und über sie herfallen. Ein Ritter – nein, ein Bewaffneter schon nimmt es mit zwanzig von ihnen auf.«
»Ein Ritter ist genug und schon zuviel,« meinte de Bracy. »Ich schäme mich, daß ich meine Lanze gegen sie brauchen soll.«
»Gewiß,« entgegnete Front-de-Boeuf, »wenn es schwarze Sarazenen oder Mohren wären, Herr Templer, oder feige französische Bauern, mein sehr tapferer de Bracy, aber es sind englische Yeomen, denen wir an nichts überlegen sind als in Waffen und Pferden, und die nützen uns in den dichten Waldungen wenig. Wir sollen einen Ausfall machen, sagt Ihr, wir haben ja kaum Leute genug, um das Schloß zu verteidigen. Meine besten Mannen sind in York, auch Eure ganze Schar, de Bracy, ist dort, und wir haben keine zwanzig Mann außer denen, die an diesem tollen Streich teilgenommen haben.«
»Ihr fürchtet doch nicht etwa, daß sie eine Macht zusammenbringen und einen Sturm gegen das Schloß wagen könnten?« fragte der Templer.
»Das nicht, Sir Brian,« antwortete Front-de-Boeuf. »Die Räuber haben freilich einen kühnen Anführer, aber ohne Maschinen, Sturmleitern und erfahrene Hauptleute können sie gegen mein Schloß nichts ausrichten.«
»Schickt doch zu Euern Nachbarn,« riet der Templer, »die mögen ihre Leute zusammenrufen und zwei Rittern zu Hilfe kommen, die von einem Schweinehirten und einem Narren in dem freiherrlichen Schlosse des Reginald Front- de-Boeuf belagert werden.«
»Ihr scherzt, Herr Ritter,« antwortete Front-de-Boeuf. »Zu wem soll ich denn schicken? Malvoisin ist in York, da sind auch alle, auf die ich sonst rechnen könnte, und da sollte ich selber sein, wenn dieses verwünschte
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