Ivanhoe
'ne Mönchskutte gegen einen Pfeil mit grauen Gansfedern gefeit ist.« Mit dieser Drohung verließ er seinen Turm und bestellte im Schlosse die ungewöhnliche Botschaft, daß ein frommer Bruder am Tor sei und Einlaß begehre. Mit nicht geringer Verwunderung vernahm er den Befehl seines Herrn, den frommen Mann sofort hereinzulassen. So groß das Selbstvertrauen auch war, das Wamba bei seinem gefahrvollen Unternehmen beseelte, so drohte es ihn doch zu verlassen, als er sich einem so furchtbaren und gefürchteten Manne wie Reginald Front-de-Boeuf gegenübersah. Er brachte sein Pax vobiscum, das so ziemlich die ganze Weisheit seiner angenommenen Rolle ausmachte, mit weit mehr Angst und Zagen heraus als bisher. Aber Front-de-Boeuf war so daran gewöhnt, Leute jedes Standes vor sich zittern zu sehen, daß er in der Furchtsamkeit des vermeintlichen Mönches keinen Grund zu Argwohn fand. »Wer bist du, Priester, und woher kommst du?«
»Pax vobiscum!« wiederholte der Narr. Ich bin ein armer Bruder des Klosters zum heiligen Franziskus. Als ich hier durch die Wüste wandelte, so fiel ich unter Räuber und Diebe – quidam viator incidit in latrones, sagt die heilige Schrift. Diese Diebe haben mich nach dem Schlosse hier gesandt, daß ich bei zwei Personen, die Eure ehrenwerte Gerechtigkeit zum Tode verurteilt hat, meines Amtes walte.«
»Ja so!« machte Front-de-Boeuf. »Kannst du mir auch sagen, heiliger Vater, wie groß die Zahl der Banditen ist?«
»Tapferer Ritter,« antwortete der Narr, nomen illis legio – ihr Name ist Legion!«
»Sage mir rund heraus, Priester, wie viele sind ihrer im Walde draußen? Sonst sollen dich Kutte und Strick wenig schützen.«
»Wehe!« sagte der angebliche Mönch. »Cor meum eructavit, das heißt, mir war, als sollte ich vor Furcht verenden. Soviel ich aber bei aller Angst habe sehen können, so mögen es an Yeomen und gemeinem Volk wohl ihrer fünfhundert sein.«
»Was!« rief der Templer, der gerade in die Halle kam. »Ist der Wespenschwarm so dicht? Nun, da ist es Zeit, die ganze verderbliche Brut zu ersticken.« Dann zog er Front-de- Boeuf beiseite. »Kennt Ihr den Priester?« fragte er.
»Es ist ein fremder Mönch aus einem entlegenen Kloster,« antwortete Reginald. »Ich kenne ihn nicht.«
»Dann vertraut ihm nichts Mündliches an,« sagte der Templer. »Gebt ihm einen schriftlichen Befehl an die Freischar de Bracys mit, daß sie auf der Stelle ihrem Hauptmann zu Hilfe eilen solle. Bis dahin erlaubt dem Glatzkopf, hier frei herumzugehen, damit er keinen Verdacht schöpft, und laßt ihn die sächsischen Schweine zur Schlachtbank herrichten.«
»So soll es sein,« stimmte Front-de-Boeuf ein und befahl einem Diener, Wamba in das Gemach zu bringen, wo Cedric und Athelstane gefangen saßen.
Als Cedric erkannt hatte, daß er gefangen war, war sein Ungestüm nur noch gestiegen. Mit den Gebärden eines Kriegers, der Sturm laufen oder über seinen Feind herfallen will, schritt er in dem Gemache auf und ab. Bald sprach er mit sich selber, bald mit Athelstane, der mit stoischer Ruhe abwartete, wie sich das Weitere gestalten würde, während er mit aller Behaglichkeit das reiche Mahl verdaute, das er zu Mittag verspeist hatte. Ihm war es einerlei, wie lange seine Gefangenschaft dauern würde, denn er sagte sich, wie alles Leid auf Erden müsse auch sie einmal ein Ende nehmen.
»Pax vobiscum!« sagte der Narr, indem er eintrat. »Der Segen des heiligen Dunstan sei mit euch!«
»Salvete et vos!« antwortete Cedric dem vermeintlichen Mönch. »Was führt dich zu uns?«
»Zum Tode soll ich euch vorbereiten,« erwiderte der Narr.
»Das ist nicht möglich!« fuhr Cedric auf. »Sie mögen noch so gottlos und unverschämt sein, aber eine solche offenbare und nutzlose Grausamkeit werden sie nicht wagen.«
»Ach!« versetzte der Narr. »Wer sie durch irgendwelchen Appell an menschliche Gefühle zu beeinflussen hofft, der kann ebensogut ein Pferd mit einer seidenen Schnur zu regieren suchen. Deshalb, edler Cedric und tapferer Athelstane, denkt darüber nach, was ihr im Fleische gesündigt habt, denn noch heute müßt ihr vor dem höchsten Richter Rechenschaft tun.«
»Hört Ihr, Athelstane?« rief Cedric. »Wir müssen unsere Herzen zu diesem letzten Akt aufraffen! Besser als Männer sterben, denn als Sklaven leben!«
»Ich bin bereit,« antwortete Athelstane, »ihre Grausamkeit bis auf die Neige zu erdulden, und gehe ebenso ruhig zum Tode wie zu meinem Mittagessen.«
»So führe uns zu
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