Jack Holborn
Sänfte zu füllen und sie vor uns her nach Hause zu schicken.
»Frohe Weihnachten, Jack. Frohe Weihnachten!«
Aber eine Begebenheit hätte’s beinahe verdorben: eine seltsam geisterhafte Sache. Wir gerieten an den schwarz gekleideten Mann, der das Signal weitergegeben hatte. Er sah uns an, als wären wir wahnsinnig. Aber Lord Sheringham tat so, als sähe er ihn nicht und tauchte sofort in einem der Läden unter.
Ich hatte plötzlich den krankhaften Wunsch, dem Burschen nachzugehen und ihn über alles auszufragen, was er wußte – ob es würdig gewesen war oder nicht … Aber davon hörte ich erst viele Tage später, und dann aus einer nicht zuverlässigen Quelle.
Ich hörte, er hätte sich im Karren sehr gelockert und zuversichtlich verhalten: er hätte den geistlichen Zuspruch des Pfarrers mit Nicken und Lächeln angehört – was alles einen guten Eindruck machte. Dennoch wurde bemerkt, daß er kein Wort sprach.
Es wurde behauptet, daß er noch gelächelt habe, als er sich vom Karren schwang, wobei er keinen Versuch unternahm, sich zu befreien – was so viele tun. Man sagte, das einzige, was ihn erschreckte, obwohl er schon darüber hinaus gewesen sein muß, war, als ein völlig unerwarteter Freund vorstürzte, um an seine Knie zu springen und ihm einen letzten barmherzigen Ruck zu verabreichen.
Es wurde gesagt, daß er dabei in höchstem Maße entsetzt aussah. Das dauerte jedoch nur einen Augenblick, da sein Genick sofort brach. Ich habe mich oft gefragt, wer dieser Freund war. Zuerst fürchtete ich, es sei Mister Trumpet gewesen. Aber niemand kannte ihn. Man konnte nichts weiter sagen, als daß es ein zielbewußt aussehender, leicht verschimmelter Bursche gewesen sei – als sei ihm seine Kleidung auf dem Körper getrocknet.
Und später stellte sich heraus, daß derselbe Freund doch nicht das richtige getan hatte. Denn irgendwer – höchstwahrscheinlich der Henker – hatte ihm vorher eine Silberröhre zugesteckt, die er als Schutz gegen den Erstickungstod in die Kehle stecken sollte. Er wäre also gar nicht gestorben, wäre nicht dieser übereifrige Freund gewesen … Immerhin war er mit Würde abgegangen. Doch so was wie ein Gentleman.
Jetzt weiß ich selbstverständlich, daß Mister Trumpet nicht in Tyburn gewesen sein kann. Er war zu der Zeit nicht einmal in London. Er wartete im Gasthaus zum Schwarzen Löwen in Patcham, da er uns das am Tag vorher so mitgeteilt hatte. Als wir hinter der Sänfte hergehend wieder in die Dover Street gelangten, war der Brief schon da.
Ich erkannte die Handschrift nicht, wohl aber Lord Sheringham, und sie hatte auf ihn eine bemerkenswerte Wirkung.
Er war Mister Trumpet unendlich zugetan, und nicht nur wegen der guten Tat, die ihm Mister Trumpet angedeihen ließ. Er schätzte und bewunderte Mister Trumpet von ganzem Herzen, und wieder von ihm zu hören – mit der zusätzlichen Freude, ihn auch bald wieder zu sehen – war in der Tat ein großes Vergnügen.
»Was sagst du dazu, Jack? Ein Brief von Mister Trumpet! Ich hab’s ja gesagt, wenn er will, und keinen Tag früher, wie? Und jetzt – ein Brief. Er hat eine schöne Schrift – sauber bis aufs i-Tüpfelchen … Wir werden ihn bald sehen. Ist das nicht eine gute Nachricht? Eine bessere Zeit dafür konnte’s gar nicht geben. Er ist in Patcham. Das ist in Sussex – knappe fünfzig Meilen. Im Schwarzen Löwen, den kenne ich gut … Er schreibt, wir sollen ihn da treffen … sobald wir können. Das wird ein richtiges Weihnachtsfest. Mister Trumpet! Man denke nur!
Er schreibt – was ist das? Die Schrift ist so gedrängt … Er schreibt, er wolle nichts versprechen, aber er habe vielleicht Neuigkeiten für dich, Jack. Das ist auch etwas, wie?
Aber jetzt! Die Zeit, Junge! Deine neue Uhr! Die Zeit! Wenn wir, sagen wir, in einer Stunde fahren, könnten wir in Horley übernachten und am späten Morgen in Patcham sein. Heiligabend, und mit Mister Trumpet. Ha! Mister Solomon Trumpet höchstpersönlich.«
Es traf sich so, daß wir beinahe mehr als eine Nacht in Horley verbrachten, denn der Regen verwandelte sich sehr schnell in Schnee und machte die Straße sehr gefährlich. Dann wurde es in der Nacht schneidend kalt, so daß sich am Morgen der Schnee überall gesetzt hatte und die Straße von der Landschaft nicht mehr zu unterscheiden war. Aber wir brauchten nicht länger als zwei Stunden zu warten und hatten, als wir fuhren, das angenehme Gefühl, die ersten in einem neuen Land zu sein. Wir hinterließen Spuren,
Weitere Kostenlose Bücher