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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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aufgesprungenen Lippen. »Jack, du musst die Rose schützen. Es tut mir leid. Nun geh!«
    Bevor Jack es richtig begriff, stieß Davids verkohlte Hand ihn voran. Seine Beine kamen in Bewegung, und er sah zu, dass er von dem Alten und den schaurigen Wesen wegkam. Er hörte, wie David erneut seine Waffe abfeuerte und der schrille Schrei eines Müllmanns antwortete, dann stieg noch eines der Wesen in den grausigen Gesang mit ein. Über alldem war Davids Brüllen zu hören.
    Jack rannte Hals über Kopf zu dem Grabstein, auf den David gezeigt hatte. Er krachte so fest dagegen, dass der Stein wackelte, legte seine Hand darauf und tastete verzweifelt umher. Nichts. Er überprüfte die Inschrift: Das Datum war von 1940, aber er spürte nichts von dem, was er beim Grab seiner Mutter gespürt hatte. Ein Windstoß wehte ihm die dunk len Haare ins Gesicht. Er wandte den Kopf, um zu schauen, wo David war, und sah direkt in das leere Gesicht eines Müll manns. Mit einem Aufschrei sprang er hoch. Der Müllmann holte mit dem Arm aus und schlug nach seinem Kopf. Jack duckte sich instinktiv und rannte wieder los. Der Müllmann zerschmetterte den alten Grabstein und saugte Trümmer und Erde in seine wirbelnde Masse. Er hob einen Fuß und marschierte mit immer schnelleren Bewegungen seines behelfsmäßigen Körpers hinter Jack her.
    Jack warf sich hinter eine Familiengruft und schnappte nach Luft. Das fremdartige Wesen näherte sich seinem Versteck, und tosender Wind zerrte an Jack.
    Seine Gedanken rasten. Es gab keinen Weg zurück ins Jahr 1940 für ihn, nicht nachdem dieser wandelnde Wirbelsturm den Grabstein zerschmettert hatte.
    Er rannte weiter, lief im Zickzack zwischen den Gräbern hindurch und suchte nach einem anderen Fluchtweg. Er versuchte sich auf die Inschriften der Grabsteine, an denen er vorbeistürzte, zu konzentrieren und wusste zugleich, dass die unmenschlichen Müllmänner von allen Seiten näher kamen. Die Steine waren eine bunte Mischung aus alt und neu, protzig und bescheiden, reich und arm. Der eine trug ein Datum von 1969, der nächste eines von 1954. Jack rannte immer tiefer in den Friedhof hinein. Hinter sich spürte er die beunruhigend bewegte Luft – als würde er von einem Zyklon verfolgt werden.
    Er bog um eine Ecke und stolperte über eine kleine Sitzbank, knallte mit dem Rücken hart gegen einen großen, verschnörkelten Grabstein. Das Brausen war dicht hinter ihm. Er wollte schon weiterrennen, da fiel ihm das Sterbedatum auf: 13. September 1940. Also dieses Grab; etwas Besseres würde er nicht finden.
    Der hohle Schrei eines Müllmanns betäubte seine Ohren, Jack fuhr herum und sah das Wesen direkt vor sich aufragen. Der Körper veränderte sich, zwei neue Arme wuchsen rasch nach außen. Wieder brüllte der Müllmann, diesmal in tieferer Tonlage, und stieß einen Siegesschrei aus.
    Jack streckte seine dünnen schmutzigen Finger aus und berührte den verwitterten Stein. Er war kalt, feucht und von zartem Moos bedeckt, aber Jack konnte mehr ertasten als nur seine Oberfläche. In dem Marmor war ein Fließen von Trauer zu spüren. Instinktiv und voller Verzweiflung drängte Jack sich dem entgegen. Ein kaltes Rieseln antwortete, der Tränentunnel öffnete sich, um ihm den Durchgang zu gestatten, und Jack spürte, wie er körperlos wurde.
    Die Hände des Müllmanns griffen ins Leere. Er sah sich kurz nach dem Jungen um, dann traf er irgendwo tief im Innern seiner primitiven Seele eine Entscheidung. Er stieß ein langes, klagendes Heulen aus. Sämtliche Müllmänner auf dem Friedhof hörten es und lösten sich prompt in Staub und Unrat auf, der zu Boden rieselte.

3 Hanging Tavern
    3
    Hanging Tavern
    A lles war weiß.
    Jack nahm flüchtige Eindrücke wahr, weiß auf weiß, jeder einzelne voller Schmerz, Lachen und Hoffnung. Der eine Ein druck ging sofort in den nächsten über, wie in einem Kaleidoskop der Trauer. Erinnerungen zogen vorbei. Die Erinnerungen von Toten.
    Jack befand sich im Tränentunnel.
    Er sah die verloren gegangenen Bruchstücke eines Lebens, winzige Echos von Größe. Sie stürzten auf ihn ein wie ein Film, der in seinen Kopf heruntergeladen wurde. Aber die Abfolge war durcheinander, der eine Moment überlagerte den nächsten.
    Jack versuchte die Erinnerungen zu sortieren: Dieses Grab – dieser Tränentunnel war mit dem Tod eines Mannes verknüpft, eines Schneiders von Anfang zwanzig. Er war ganz plötzlich gestorben, erkannte Jack, war von der Hand eines anderen um seine Zukunft gebracht

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