Jacks Briefe
ihr Name ist Jane Campbell?“, fragt er noch mal, um ganz sicher zu gehen.
„Ja, das habe ich ihnen doch gesagt!“, antwortet sie genervt. „Ich habe keine Ahnung was sie mir damit sagen wollen!“
„Ich spreche von den Briefen. Sie waren gerichtet an Katelyn Campbell. Eine Vorfahrin von ihnen?“
Die Frau starrt ihn ungläubig an. „Keine Ahnung! Vielleicht Zufall? Heißen hier nicht viele so? Aber …“, zögert sie, „ich meine, halten sie das für wahrscheinlich?“
Über diese Möglichkeit hatte sie nicht nachgedacht. Sie war nach Schottland gereist, um das Land kennenzulernen, aus dem ihre Urururgroßmutter einst ausgewandert war. Sie hatte keine Informationen darüber, wo diese genau aufgewachsen war oder wie sie einst gelebt hatte. Eine zu lange Zeit war das her. Nichts war geblieben, außer dem Wissen, das alles hier irgendwann einmal begonnen hat.
Sie wusste nicht auf was sie treffen würde, als sie vor ein paar Tagen spazieren ging. Als sie die alte Klosterruine zum ersten Mal sah und diese laienhaft untersuchte. Sie hatte nicht ahnen können, dass sie auf einen verborgenen Schatz stoßen würde. Als sie die Ziegelsteine bewegte und dahinter die Kiste sah, dachte sie nicht, dass dessen Inhalt sie derart faszinieren würde. Doch als sie sich die Briefe näher betrachtete und begriff, aus welcher Zeit sie stammten, war sie entschlossen, deren Geschichte auf den Grund zu gehen. In der Pension hatte man ihr James wärmstens empfohlen. Er war frisch von der Universität. Nicht älter als sie. Ein Historiker aus der Region, der sich spezialisiert hatte auf schottische Geschichte. Sie hatten gesagt, dass er ihr bestimmt weiter helfen könne. Und nun stellte er ihr all diese komischen Fragen. Waren sie berechtigt? Sie wollte mehr wissen. Sie wollte herausfinden ob diese Briefe wirklich einst ihrer Vorfahrin gehörten.
„Warum sind sie so gut erhalten?“
Der Mann räuspert sich. „Nun ja, es hat vermutlich mit der Luft zu tun, die hier oben ist. Und durch die Steine war die Kiste mit den Briefen vor jeglicher Witterung geschützt. Genaueres kann ich nicht sagen.“
„Also haben sie keinen Zweifel, dass sie echt sind?“, fragt sie gespannt.
Er schüttelt den Kopf. „Nach ersten Untersuchungen sage ich …Nein, keine Zweifel. Sie sind echt.“
Die Frau atmet erleichtert auf.
„Die Poststempel. Ganz ohne Frage achtzehntes Jahrhundert. Zweifellos haben sie da eine ganz besondere und seltene Entdeckung gemacht.“ Er nickt anerkennend.
Die Frau setzt sich zufrieden auf eine der bodennahen Mauerreste.
„Und jetzt?“
„Nun ja, sie könnten ihren Fund einem der hiesigen Museen anbieten. Die würden ihnen bestimmt etwas dafür bezahlen“, antwortet er.
Die Frau sieht ihn skeptisch an. Diese Bemerkung passte irgendwie, dabei konnte er gar nicht wissen, dass sie Schulden hatte, die sie unbedingt zu begleichen suchte. Als ihr Vater erkrankte, ging alles für seine Krankenhausbehandlung drauf. Alles, was sie hatte und auch das, was sie nicht hatte. Sie musste einen Kredit aufnehmen, damit die Ärzte ihn weiter behandelten. Im Endeffekt hat alles nichts genutzt. Er starb vor einem Jahr an Krebs und sie blieb alleine zurück. Alleine mit einem Haufen Schulden. Nicht einmal das Haus, in dem sie aufgewachsen war, konnte sie behalten. Es gab nun nichts mehr für sie in Amerika. Ihr Vater war ihr einziger Angehöriger gewesen. Ihre Mutter starb bereits, als sie zwei Jahre alt war und Geschwister hatte sie keine. Insgeheim war sie nicht nur hier, um auf andere Gedanken zu kommen, sondern sie war auch auf der Suche nach sich selbst und vielleicht nach einem Neuanfang.
„Haben sie sie gelesen?“, fragt der Mann und reißt sie damit aus ihren Gedanken.
„Wen?“
„Na, die Briefe!“
„Ach so. Nein, hab ich nicht!“
„Nun, vielleicht sollten sie das ja. Könnte ziemlich spannend sein zu lesen, was die Menschen damals beschäftigt hat.“
„Darf ich das denn?“, fragt sie vorsichtig.
„Sicher“, antwortete er. „Noch sind sie nicht in den Museen“, fügt er bei und erwartet neugierig ihre Entscheidung.
Entschlossen lächelnd steht sie auf. „Gut. Dann werde ich sie lesen!“
Er lacht und seine blauen Augen blicken sie dabei strahlend an. „Lassen sie mich wissen, was drin steht?“
Sie lächelt verschmitzt und errötet ein wenig, als sie seinen Blick auf sich geheftet spürt. Sie pflückt eine der roten Mohnblumen, die zwischen den Mauern wachsen und ihr kommt der Gedanke: „Was
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