Jacks Briefe
Gouvernante auf einem Spaziergang, als er ihr völlig außer Atem in die Arme fiel. Sie hatte sich direkt um ihn gesorgt. Ihn, diesen fremden Jungen, der ärmlich gekleidet war. Sie hatte ihm ein Sandwich von sich gegeben, ihn in eine Decke gewickelt und zu sich mitgenommen. Ihrer Gouvernante hatte sie gesagt, sie solle ihn nicht bei der Herrschaft erwähnen. Sie wusste, dass ihre Mutter nichts für arme, dahergelaufene Kinder übrig hatte. Nein, die Lady Amalia hatte für niemanden wirklich etwas übrig. Katelyn hatte den Jungen, genau aus diesem Grund, zunächst in der Scheune versteckt. Es dauerte jedoch nicht lange, da hatte William ihn dort entdeckt. Das zusätzliche Brot und das Steak, das seine Tochter beim Abendessen entwendet hatte, kamen ihm verdächtig vor. Und als sie, nachdem sie endlich vom Tisch aufstehen dürfte, heimlich in die Scheune gerannt war, hatte er sich ganz unbemerkt an ihre Fersen geheftet.
Zuerst hatte sie sich erschrocken, als sie ihren Vater bemerkte. Sie dachte, er wäre wütend wegen des Jungen, aber das war er nicht. Er war nicht so wie seine Frau. Er empfand Mitgefühl und sah in dem Jungen ein Stück weit die Möglichkeit, seine Schandtat von Glencoe, für Jack und für sich selbst, erträglicher zu machen. Er hatte sich dessen Geschichte angehört. Er hatte zugehört was dieser Junge erzählte, wie er das Massaker an seinem Clan erlebt hatte und er hatte daraufhin beschlossen, dass Jack die Nacht auf dem Gut verbringen sollte. Nicht in der kalten Scheune, sondern in einem der Gästezimmer des Hauses. Der Junge kannte Williams Gesicht, aber dennoch hatte er es nicht in direkte Verbindung mit dem Mord an seiner Familie und dem des gesamten Clans gebracht. William hoffte, dass dies so bleiben würde.
Jack war wohlerzogen. Für ein Kind aus einem Clan war das nicht selbstverständlich.
William hatte schon ganz andere kennengelernt. Er erinnerte sich, wie er von einigen angespuckt wurde, als er als Knabe aus seiner Kutsche blickte, die an einer solchen Clansiedlung vorbeifuhr. Kinder kamen zu ihm und er, der nichts Böses vom Leben ahnte, hatte sie angelächelt und dann, hatte einer von ihnen ihn einfach angespuckt. Er hatte damals versucht, seine Tränen zurückzuhalten. „Ein Mann weint nicht.“ Hatte seine Mutter gesagt. Er dürfte keine Schwäche zeigen, wegen nichts! Genauso wenig hatte er weinen dürfen, als sein Vater im Krieg gefallen war. Er stand da und starrte auf den Sarg seines Vaters, hatte versucht an nichts zu denken, damit er die Regel seiner Mutter nicht verletzte. Aber als er dann alleine auf seinem Zimmer war, hatte er es schließlich doch getan. Er hatte geweint, um seinen Vater, den er nie wieder sehen sollte, denn er hatte einfach nicht verstehen wollen, was so falsch daran war, seine Gefühle zu zeigen.
Jetzt, da er selbst Vater war, waren ihm die Einhaltungen solcher Regeln der Etikette zuwider. Dennoch wusste er auch, dass sie in einem gewissen Maße notwendig waren. Er versuchte immer seiner Tochter, seine Art der Dinge nah zulegen und tatsächlich hatte sie sich bisher ähnlich, wie er entwickelt. Er sah jeden Tag aufs Neue die Güte und Liebe in ihren Augen, welche sie wohl kaum von ihrer Mutter geerbt hatte. Denn diese war eine typische Lady der Gesellschaft, die sich am liebsten nur in der Welt der Geadelten bewegte. Für sie war die Etikette alles.
Als Jack Lady Amalia vorgestellt wurde, hob diese lediglich kurz die Brauen und schenkte ihm im Allgemeinen wenig Beachtung. Das Einzige, das sie über ihn sagte, war, dass er hoffentlich bald wieder aus ihrem Hause verschwinden würde, bevor die Nachbarn etwas von seinem Aufenthalt erfuhren. Lady Amalia wusste in der Regel, nichts von den Befehlen ihres Mannes und von jenem erst recht nicht, unterlag dieser doch strikter Geheimhaltung. Es war einer dieser inoffiziellen Befehle von Sir Dalrymple, dem Master of Stair. Dessen Unrecht nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Dieser Mann hasste die primitiven Clans. Er verabscheute sie und in der Nichteinhaltung ihrer angesetzten Frist in die Lowlands umzusiedeln, hatte er eine Gelegenheit gesehen, ein Exempel an ihnen zu statuieren. Für ihn, sowie für viele der Anderen reichen Schotten, waren die Clans wertlose Rebellen, die sich gerne der englischen Vorherrschaft entgegenstellten. Das, was in Glencoe geschehen war, sollte sich unter den anderen Clans herum sprechen und diese davon überzeugen der englischen Krone die Treue zu schwören. Jedoch war
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