Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition)
aus dem Stoff zu befreien. Währenddessen holte der Golem zu einem Tritt aus, der Sandro im günstigsten Fall die Rippen brechen und eine Niere zerquetschen würde. Sandro handelte rein instinktiv. Er packte den Fuß des Golem und drehte ihn mit einem heftigen Ruck herum.
Er hörte das hässliche Knacken, als Knorpel und Knochen in eine Richtung verdreht wurden, die in der menschlichen Anatomie so nicht vorgesehen war. Der Golem sackte auf die Knie, zeigte allerdings keinerlei Anzeichen von Schmerz. Im Gegenteil, der Vorfall schien ihn nur noch blindwütiger zu machen.
»Glaubst du etwa, das macht mir was aus? Ich hab’s dir doch gesagt: Du kannst mir nicht weh tun.«
Im ersten Moment war Sandro wie gelähmt vor Schreck. Er hatte fest damit gerechnet, dass das Manöver funktionieren und der Riese unter rasenden Schmerzen zusammenbrechen würde. Stattdessen rappelte sich der Golem trotz seines verdrehten Beins wieder auf und holte erneut zum Schlag aus.
Sandro rollte sich herum und brachte sich, auf allen vieren kriechend, in Sicherheit. Er packte die heruntergefallene Vorhangstange, um wieder auf die Beine zu kommen, doch die Stange zerbrach in zwei Hälften. Er stand gerade wieder auf den Füßen, als der Golem ihm von hinten einen Fausthieb zwischen die Schulterblätter versetzte, so dass ihm die Luft wegblieb und er prompt ein zweites Mal zu Boden ging.
Der Golem wälzte ihn auf den Rücken und kniete sich rittlings auf ihn.
»Du hast gut gekämpft. Dafür hast du meinen Respekt. Aber jetzt musst du sterben.«
Gleich darauf spürte Sandro, wie sich die Finger des Golem um seinen Hals schlossen. Er musste etwas tun. Irgendetwas. Inzwischen war ihm klar, dass der Golem offenbar keinerlei Schmerzempfinden hatte, folglich wäre es sinnlos, ihm weh zu tun. Er musste ihn auf andere Weise außer Gefecht setzen.
Der Golem hielt mit beiden Händen seinen Hals umfasst und drückte zu. Sandro packte seine Daumen und bog sie so weit es ging zurück. Der Golem lockerte seinen Griff ein wenig im Versuch, Sandro abzuschütteln, aber der zog und drückte immer weiter an den Daumen. Bis die Knochen brachen.
Der Golem blinzelte verdattert, als sei ihm nicht klar, wieso er auf einmal nicht mehr richtig zupacken konnte. Er versuchte es, aber es war zwecklos: Ohne Daumen konnte man niemandem das Genick brechen.
Sandro wusste, dass er sich auf diesem kleinen Sieg nicht ausruhen durfte. Sein Gegner war nach wie vor gefährlich. Er tastete mit der Hand am Boden herum, bis er die zerbrochene Vorhangstange gefunden hatte. Sehr gut. Damit musste es gehen.
Der Golem kniete nach wie vor auf ihm. Sandro packte die Stange mit der linken Hand und schlug ihm in die Seite, genau auf die blutende Wunde.
Der Golem zuckte mit keiner Wimper, also machte Sandro dasselbe gleich noch ein zweites Mal. Und ein drittes.
Beim dritten Mal nahm er die Stange nicht wieder weg, sondern presste sie mit aller Kraft in die Wunde. Der Blick des Golem veränderte sich. Seine Augen wurden ein klein wenig trüber.
Sandro starrte seinem Gegner ins Gesicht. Er sah nicht den Golem, sondern seinen Vater. Wie er über ihn herfiel. Auf ihn einprügelte. Ihm das Leben zur Hölle machte. Als Kind hatte er sich nie gegen ihn wehren können. Nachts im Bett hatte er wachgelegen und sich ausgemalt, auf welche Arten er sich eines Tages an ihm rächen würde. Er hatte nie den Mut gehabt, irgendeinen dieser Pläne in die Tat umzusetzen, und so war die Wut in seinem Bauch einfach immer weiter gewachsen. Irgendwann hatte er angefangen, sie an anderen auszulassen, hatte nach Ersatzopfern für seinen Hass gesucht.
Genau dasselbe tat er jetzt auch.
Sandro ließ die Vorhangstange fallen, hob beide Hände und knallte dem Golem die Handflächen auf die Ohren.
Das war ein überaus gefährliches Manöver. Nicht mal beim Bareknuckle war es zugelassen. Im harmlosesten Fall war danach der Gleichgewichtssinn gestört, oder die Trommelfelle platzten. Im schlimmsten Fall, wenn man mit ausreichend Kraft zuschlug, konnten Bewusstlosigkeit oder sogar Hirnschäden die Folge sein.
Sandro hoffte inständig, dass er mit ausreichend Kraft zugeschlagen hatte.
Das Gesicht seines Vaters verschwand. Er hatte wieder den Golem vor sich.
Er sah seinem Gegner in die Augen. Das Licht darin flackerte und wurde schwächer. Aus seinen Ohren lief Blut. Sein Mund erschlaffte.
Dann brach er auf Sandro zusammen.
»Na, toll …« Sandro bekam kaum noch Luft.
Schließlich gelang es ihm, sich unter
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