Jaegerin der Daemmerung
einmal zu gierig, habt euch von der Aussicht auf eine schnelle Mahlzeit blenden lassen. Um euch eine Lektion zu erteilen, müsste ich euch eigentlich dem qualvollen Tod überlassen, den diese Fallen mit sich bringen.« Die Wölfe wie kleine Kinder ausschimpfend, holte sie eine Drahtschere aus ihrem Wolfspelzmantel. Mit wenigen gekonnten Handgriffen befreite sie die beiden Wölfe. Noch während sie ihre Finger in den dichten Pelzen vergrub und die tiefen Wunden abtastete, stimmte sie einen melodischen Heilgesang an. Das gleißend helle Licht, das ihre Hände dabei abstrahlten, flirrte umher und schien durch das Fell der Tiere hindurch.
»Dies dürfte euren Schmerz ein wenig lindern«, sagte sie versöhnlich und kraulte den beiden ausgiebig die Ohren.
Plötzlich stieß das Alphatier einen warnenden Laut aus, und sein Weibchen fletschte die Zähne. Ein Lächeln legte sich auf die Lippen der Frau. »Ich weiß, ich kann ihn riechen. Es ist ja beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, einen Vampir, der seinen fauligen Gestank verbreitet, nicht zu bemerken.«
Sie drehte ihren Kopf und schaute über ihre Schulter auf einen hochgewachsenen, starken Mann, der aus dem knorrigen Stamm einer immergrünen Tanne heraustrat. Der Stamm klaffte weit auseinander und brach beinahe in zwei verkohlte Teile. Nachdem der Baum die abscheuliche Kreatur ausgestoßen hatte, vertrockneten die Nadeln an den Zweigen, und als die Äste sich schüttelten, um den Kontakt zu der verdorbenen Kreatur zu unterbrechen, regneten Eiszapfen herab wie kleine Speere.
Nachdem sich die Frau mit anmutigen Bewegungen erhoben hatte, wandte sie sich ihrem Feind zu und befahl den Wölfen mit einem verstohlenen Zeichen, sich in den Wald zurückzuziehen. »Wie ich sehe, bist du neuerdings dazu übergegangen, Fallen aufzustellen, um an Nahrung zu gelangen, Cristofor. Bist du so langsam und schlecht geworden, dass es dir nicht einmal mehr gelingt, einen Menschen anzulocken, an dem du deinen Hunger stillen kannst?«
»Jägerin!« Die Stimme des Vampirs klang rostig, so als würden seine Stimmbänder nur selten gebraucht. »Ich wusste, dass du kommen würdest, wenn ich dein Rudel zu mir locke.«
Ihre Augenbraue schoss in die Höhe. »Welch nette Einladung, Cristofor. Ich kann mich noch gut an dich erinnern, an damals, als du ein Jüngling und nett anzusehen warst. Um der alten Zeiten willen habe ich dich in Ruhe gelassen, doch wie es aussieht, sehnst du dich nach der Erlösung durch den Tod. Nun, alter Freund, so soll es denn sein.«
»Es heißt, du könntest nicht getötet werden«, fauchte Cristofor. »Eine Legende, an die alle Vampire glauben. Unsere Anführer haben befohlen, dich in Ruhe zu lassen.«
»Eure Anführer? Bist ihnen doch beigetreten und hast dich mit ihnen gegen den Prinz und sein Gefolge verbündet? Weshalb suchst du dann den Tod, wo ihr doch das Ziel verfolgt, jedes Land oder die ganze Welt zu beherrschen?« Sie gluckste. »Das ist ein törichter Wunsch und bringt eine Menge Arbeit mit sich. In der guten alten Zeit war das Leben doch einfacher. Es waren glückliche Tage. Kannst du dich denn nicht mehr daran erinnern?«
Cristofor musterte das makellos schöne Gesicht der Frau. »Es hieß, du wärst ein Flickenwerk, ein Stück Haut an das andere genäht. Und dennoch wirkt dein Gesicht, dein gesamter Körper wie früher auf mich.«
Sie zuckte mit den Achseln und verwies die Bilder aus den dunklen Jahren, die vor ihrem geistigen Auge aufzogen und sie an das erlittene Leid und die Höllenqualen erinnern wollten, zurück an ihren Platz. Damals hatte sich ihr fleischloser Körper geweigert, den Tod zu akzeptieren, tief in der Erde begraben, frei zugänglich für die krabbelnden Insekten, die sich scharenweise im Dreck tummelten. Sie wahrte einen heiteren Gesichtsausdruck und lächelte, während sie innerlich bereit war, von jetzt auf gleich den Kampf aufzunehmen.
»Weshalb verbündest du dich nicht mit uns? Wenn einer einen Grund hat, den Prinzen zu hassen, dann bist du es.«
»Ich soll mich mit denen zusammentun, die mich verraten und verstümmelt haben? Kommt gar nicht in Frage. Ich führe nur dann Krieg, wenn er nicht zu vermeiden ist.« So als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen, streckte sie die Finger, die in dünnen Handschuhen steckten. »Du hättest besser daran getan, meine Wölfe in Ruhe zu lassen, Cristofor. Du lässt mir keine andere Wahl.«
»Ich will hinter dein Geheimnis kommen. Wenn du es mir verrätst, verspreche ich, dich am Leben
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