Jagdhaus in Der Eifel
laufe mir den Kummer von der Seele. Nero und Pascha kommen mit. Die Hunde haben in den letzten Wochen wenig Auslauf gehabt.« Sie hatte noch den Wunsch geäußert, er möge Herrn Semper und Frau Bessener über die letzte Entwicklung unterrichten. Sie habe nicht den Mut dazu.
Dieser undankbaren Aufgabe versuchte Dr. Mensenhoff jetzt gerecht zu werden. Er saß in einem der Ledersessel und gab wieder, was Frau Nattinger ihm anvertraut hatte. Hedwig Bessener hatte sich auf der Couch zusammengekauert. Sie war nur noch ein bedauernswertes Nervenbündel. »Brigitte, Brigitte«, flüsterte sie einige Male, »was hat man mit dir gemacht.«
Auch Hans Semper hatte alle Mühe, die Fassung zu wahren. Er ging zum Gewehrschrank. »Komm, Hedi, trink einen Doppelten – oder soviel du willst.« Er füllte drei Gläser bis zum Rand voll. »Sie doch auch?« fragte er den Anwalt.
»Ja, aber bitte ein Glas Wasser dazu. Mein Kopf wird am meisten gebraucht.«
»Gern«, sagte Semper und holte noch eine Flasche Mineralwasser herbei.
»Ich muß es Ihnen noch einmal vor Augen halten«, erklärte Dr. Mensenhoff. »Obwohl Frau Nattinger es ganz entschieden in Abrede gestellt hat, nimmt die Kriminalpolizei immer noch an, daß Sie an dem fraglichen Abend hier von der Hütte aus mitgeholfen haben, die Leiche zu verstecken und später nach Belgien zu schaffen. Wir müssen harte Fragen erwarten.«
Nachdem im Mülheimer Krug erfolgreich versucht worden war, die Reisespesen des Kommissars in die roten Zahlen zu treiben, wollte Ahrens den Treffpunkt für den Ortstermin über die südliche Zufahrt erreichen. Mit Hilfe der Karte war es nicht schwer, auf die alte Römerstraße zu gelangen. Sie lief in nordöstlicher Richtung durch das Waldgelände zum trigonometrischen Punkt und dann weiter zur hölzernen Brücke. Auf halbem Wege bog im spitzen Winkel nach links der Forstweg ein, den er gestern beinahe verfehlt hätte.
Von einer Ausflugsstimmung war heute im Auto nichts zu spüren. Freiberg, Lupus und Ahrens wußten, daß sie bald voll gefordert sein würden. Doch die Natur blieb unberührt von ihren Problemen. Über ihnen zogen die Bussarde ihre Kreise und die hohen Fichten warfen schon kurze Schatten. Der Eifelsommer kündigte sich an.
Kommissar Freiberg hielt sich an Frau Nattingers Beschreibung des Unfallherganges und wies Ahrens ein. »Jetzt nicht zur Hütte, sondern auf den ersten Forstweg rechts, Richtung Norden. Wenn ein alter Waldweg kreuzt – links ab. Dann vor den nächsten passenden Baum. Das wär’s. Damit hätten wir den Unfall rekonstruiert.«
»Aber bitte den Gurt ablegen, Chef«, rief Lupus vom Rücksitz. »Wir wollen realistisch bleiben – und mich könnt ihr vorher aussteigen lassen.«
Sie waren zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit am Ziel. Ahrens hatte noch keine hundert Meter auf dem sehr gut unterhaltenen Waldweg zurückgelegt, als sie an einer Biegung Hans Semper und Hedwig Bessener stehen sahen. Der unbekannte Dritte mit dem kahlen Kopf mußte Frau Nattingers Anwalt sein. Sein mittelgrauer Stadtanzug mit dem schmalen Ziertaschentuch sowie die schwarzen Halbschuhe paßten nicht zur Landschaft. Dieser Mann verkörperte auch hier die Welt der Paragraphen und Schriftsätze, die Welt der papiernen Wahrheiten, in der sich früher oder später auch der Fall Fournier auflösen würde.
Frau Nattinger war noch nicht anwesend. Daraus ließ sich schließen, daß sie vermeiden wollte, mit den Wartenden zusammenzutreffen. Die Fahrzeuge dürften wohl vor Sempers Hütte parken.
Kommissar Freiberg ließ halten und nahm seine Aktentasche in die Hand. Er und die beiden Kollegen gingen die letzten dreißig oder vierzig Meter zu Fuß. Beim Näherkommen wurde offensichtlich, daß Hedwig Bessener weinte. Sie bot einen erbarmungswürdigen Anblick. Hans Semper hatte seine Hand unter ihren Arm geschoben, als ob er sie stützen müsse. Man merkte, daß ihnen der Anwalt über den Unfall und das Verhalten seiner Mandantin berichtet hatte.
Die Begrüßung war förmlich. »Ich bedaure, daß wir uns unter solchen Umständen wiedersehen müssen«, sagte Semper. »Darf ich bekannt machen: Rechtsanwalt Dr. Mensenhoff, Kriminalhauptkommissar Freiberg und Mitarbeiter, Herr Dr. Mensenhoff hat uns von den tragischen Vorgängen berichtet, die sich hier an dieser Stelle zugetragen haben. Wir sind erschüttert.«
»Ich bin entsetzt«, flüsterte Hedwig Bessener. »Niemals werde ich hierher zurückkommen.«
Dr. Mensenhoff reichte den Beamten die
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