Jagdrevier: Thriller
Wecker und schautegleich noch einmal nach, ob er die richtige Zeit eingestellt hatte. Dann warf er einen letzten Blick auf die Kleidung, die sie für den nächsten Morgen brauchten, und löschte das Licht.
»Morgen früh werden die Truthähne kollern wie verrückt«, sagte er und zog ihr den Schlafsack bis über die Schultern. »Ich habe ein gutes Gefühl für unsere Jagd.«
»Ich auch, Dad«, sagte sie schläfrig.
»Gute Nacht, Katy. Ich liebe dich. Danke, dass du mitgekommen bist.« Jake tätschelte die kleine Gestalt im Schlafsack.
»Ich hab dich noch viel lieber. Gute Nacht.«
Jake zog sich das Shirt und die Jeans aus. Er würde in seinen Boxershorts in dem Bett unter Katy schlafen.
Draußen pfiff noch immer die Nachtschwalbe, aber im Wohnwagen war es bis auf das Summen des Heizgeräts ganz still. Jake entspannte sich. Er dachte über Ereignisse des Tages nach, den Ärger bei der Arbeit, die unausgesprochenen Probleme in seiner Ehe und den Spaß, den es ihm bereitete, mit einer so umgänglichen und unbeschwerten Neunjährigen unterwegs zu sein. Lächelnd schloss er die Augen.
»Dad, kriege ich ein Pferd?«, fragte Katy.
»Katy, Pferde sind furchtbar teuer. Außerdem hast du schon vier Katzen, einen Hund, zwei Hamster und einen Goldfisch!«
»Wenn ich kein Pferd kriege, sage ich Mom, wie viel der Truthahnclub kostet.« Katy kicherte zufrieden.
»Ach, und von jetzt an willst du mich damit erpressen und bekommst immer alles, was du haben möchtest?«, stellte Jake frustriert fest.
»Vielleicht.« Sie kicherte erneut.
»Schlaf jetzt, Katy!« Voller Bewunderung für die raffinierte Falle, die sie ihm gestellt hatte, schüttelte er den Kopf. Er wusste, dass das erst der Anfang war.
Vier
Die berüchtigtsten Berufsverbrecher des Countys hatten sich allesamt vor Johnny Lee Grovers Wohntrailer versammelt. Johnny Lee war ihr selbst ernannter Anführer. Sein Lebenslauf umfasste mehrere Aufenthalte in Jugendstrafanstalten und eine achtzehnmonatige Haftstrafe im Draper-Gefängnis im Elmore County nördlich von Montgomery, Alabama. Die Zeit im Gefängnis hatte ihm ziemlich zugesetzt. Sein Zellengefährte mit dem Spitznamen Meat hatte bei ihm nicht nur emotionale Narben hinterlassen. Bis heute beugte Johnny Lee sich in der Dusche nicht mehr vornüber, sondern ging in die Knie. Keiner seiner Kumpel wusste von Meat, und noch nie war Johnny Lee länger als ein Jahr am Stück irgendeiner ehrlichen Arbeit nachgegangen. Er kleidete sich wie Kid Rock und versuchte sich auch so zu geben. Johnny Lee war klapperdürr und trug fast immer ein ärmelloses Feinrippunterhemd. Seine eigene Mutter fand, er sähe »wie ein Wurm« aus.
Johnny Lees Verbrechergang betrieb alle möglichen illegalen Aktivitäten. Sie konsumierten und verkauften Drogen und hatten versucht, ein Methamphetaminlabor einzurichten, kamen aber mit der Rezeptur nicht ganz zurecht. Und sie betrieben eine alte Destille, in der sie wirklich schlechten Maiswhiskey brannten. Sie selbst betrachteten sich als große Gangsterbarone. Alle anderen sahen in ihnen eher gescheiterte Existenzen und Gewohnheitsverbrecher. Sie klauten vorwiegend Autos, Quads, Waffen und alles, was sich schnell zu Geld machen ließ.Im Sommer wilderten sie im Black Warrior River und im Alabama River Alligatoren. Sie kannten jede Nebenstraße und jeden Schleichweg in den umliegenden Countys.
Der Sheriff wusste, dass Johnny Lees Truppe immer für Ärger gut war, und behielt sie sorgfältig im Auge. Trotzdem wurden sie nie mit heißer Ware erwischt, und niemand wagte es, gegen sie auszusagen. Die Gang beherrschte die hohe Kunst der Einschüchterung. Brennende Scheunen und tote Rinder sorgten dafür, dass alle schwiegen. Die örtlichen Polizeikräfte scherzten intern, die Gangmitglieder könnten niemals überführt werden, weil alle dieselbe DNA hätten.
Anfang April war es noch zu kalt, unten an der Sandbank am Noxubee River herumzuhängen und nackt zu baden. Wie jeder echte Redneck ließen Johnny Lees Leute gerne die Beine von den Ladepritschen ihrer Trucks baumeln, tranken Old Milwaukee und hörten Hank Williams Jr. und David Allen Coe.
Zu Johnny Lees Gesetzlosen gehörte der knapp hundertfünfzig Kilo schwere Tommy Tidwell. Er aß ohne Unterbrechung. Am liebsten frittierte Chickenwings und Kartoffelschnitze – die richtig fettigen, die man an Tankstellen kriegte. Jeder nannte ihn »Mini« und er war der geborene Befehlsempfänger. Johnny Lee hatte ihn vor Jahren im Dallas-County-Gefängnis
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