Jakob der Reiche (German Edition)
wurde, an dem sich einige verbrennen und andere lustvoll laben würden.
Noch in derselben Nacht hörte Jakob mit großen Ohren, wie seine Brüder beschlossen, dem Kaiser alles zu schenken, was er für einen noblen Auftritt in Trier benötigte und was sie ihm vor der Ankunft der Gesandten des Kölner Rates heimlich beschafft hatten. Sie wussten, dass sie von Friedrich III . keinen Gulden und kein Pfund Pfennig zurückbekommen würden. Dennoch legten sie und die Kölner Selbsterspartes, Kölner Steuergelder und sogar Münzen aus dem Opferstock des Domkapitels zusammen. Nachdem sie sich einig waren, buchten Ulrich und Georg noch vor Morgengrauen alles als Verlust.
Jakob schlief in seinem Versteck zeitweilig ein. Es wurde bereits hell, als er hörte, wie Ulrich sagte: »Je mehr wir an die Mächtigen verlieren, umso reicher bekommen wir es eines Tages wieder. Wir unterstützen sie, weil das der beste Weg ist, sie zu kaufen.«
Jakob verstand noch nicht, was damit gemeint war. War nicht Franz Bäsinger, der Großvater mütterlicherseits, als Münzmeister wegen falscher Münze und Bankrott mit vierundzwanzigtausend Gulden Schulden in den Schuldturm geraten? Und hatte nicht der Vater mit einer Bürgschaft über viele Jahre hinweg alles auf Heller und Pfennig abbezahlen müssen?
Als der neue Tag in den Gassen zu lärmen begann, kam Jakob nur sehr schwer aus dem Bett. Aber das Dormitorium im Stift Herrieden war auch kein Ort für Langschläfer. Manchmal, wenn es einem der älteren Chorherren gefiel, mussten die Jungen, wenn sie die ersten der niederen Weihen erhalten hatten, mehrmals in einer Nacht zum Gebet in die Kapelle. Es gab zwar einige Möglichkeiten, sich von der ungeliebten Quälerei freizukaufen, aber für derartige Erleichterungen auf dem Weg zu einem ordentlichen Stiftsherrn zahlten Jakobs Brüder nicht. Und Mutter Barbara wollte er nicht darum bitten. Es reichte ihm, dass sie aus ihrem eigenen Geschäftsanteil dafür bezahlte, dass ihr Jüngster so oft wie möglich freigestellt wurde und irgendein Fuhrmann mit Waren aus dem Lagerhaus vom Bruder Peter in Nürnberg den Umweg über Ansbach machte und ihn im Stift Herrieden aufsitzen ließ.
Im Haus am Rohr war trotz der Verhandlungen der vergangenen Nacht bereits wieder die übliche Geschäftigkeit eingekehrt. Jakob streifte durch die Räume, in denen sich die Schreiber aufhielten, begrüßte auch die Mutter mit einer heftigen Umarmung und lief dann in die Küche zum Gesinde. Hier wurde gerade der Morgenbrei samt Fleisch und Würsten, noch warmem Brot und geräuchertem Wertachfisch für die Kölner Abgesandten vorbereitet.
Jakob nahm sich ein Stück Brot, tunkte es in eine Milchschale, streifte mit der knusprigen Kruste am Rand vom Butterfass entlang und war schon wieder draußen, ehe die Köchin oder der Majordomus mit ihm schimpfen konnte. Nur die Küchenmädchen kicherten wie seine Schwestern noch eine Weile hinter ihm her.
Er lief die Gasse vom Judenberg hinauf und wandte sich zum Weinmarkt. Obwohl es schon längst Tag war, hatten einige der Krämer und der Händler an der breiten Via Claudia ihre Läden noch immer fest verschlossen. Einige junge Mädchen scherten sich nicht um die Ermahnungen der Eltern und scherzten mit den Landsknechten und Reisigen aus dem kaiserlichen Gefolge. Nur die Adligen und wichtigen Berater waren in Patrizierhäusern untergekommen. Jakob hatte keine Ahnung, wo all die anderen übernachtet hatten, die längst wieder die Straßen der Stadt füllten.
Kaum jemand achtete auf ihn, als er sich durch die gaffende, teilweise schimpfende und sogar drohende Menschenmenge drängelte, die sich vor dem großen Haus seines Onkels Lukas versammelt hatte. Hier war der Kaiser Gast, mit ihm sein Sohn und seine edelsten Berater. Dennoch kam es Jakob so vor, als würden schon sehr bald faules Obst oder gar Steine gegen die Fassaden und die Fenster des Hauses am Weinberg fliegen.
Die bewaffneten Wächter am Eingang erkannten ihn und ließen ihn schnell hineinschlüpfen. Gleich darauf sah er auch seine Schwestern. Sie saßen mit den Basen auf einer Steinbank im Innenhof des Palazzos und schauten dem Prinzen zu. Maximilian langweilte sich ganz offensichtlich. Er warf einen bunten Ball aus Ziegenleder gegen die Säulen des Innenhofes und fing ihn ohne große Lust wieder auf. Vielleicht wagte er als junger Bräutigam keine andere Beschäftigung vor den Augen der Mädchen, vielleicht wollte er ihnen aber auch zeigen, wie geschickt und erwachsen er
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