Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Gemächlichen Schrittes kam ich am Busterminal an. Im angegliederten Restaurant nahm ich noch einige Happen als Mittagsessen zu mir. Hierbei fiel mir doch tatsächlich mein wie meinen Augapfel gehüteter Pilgerstab derart unglücklich zu Boden, dass die an seinem oberen Ende angebrachte, große Jakobsmuschel zersplitterte.
Endlich, um 11.00 Uhr, konnte ich aufatmend den Bus besteigen. Ein älteres Pärchen aus Mitteldeutschland, das von zuhause aus nach Santiago de Compostela geradelt war und dort seine Fahrräder voraus zurück geschickt hatte, sowie eine ältere Pfälzerin, die schon öfters den Camino begangen hatte, erwiesen sich als lustige Mitfahrgefährten. Wir scherzten und lachten. Wie bereits auf der Herfahrt entpuppte sich auch dieser Bus als Zubringer. So mussten wir gegen Abend unter längerem Aufenthalt an einem großen Busbahnhof umsteigen.
Während wir bei einer kleinen Erfrischung auf der Terrasse einer nahen Bar beisammen saßen, schwärmte die Pfälzerin davon, dass sie ihre Armbanduhr bei ihrer Wanderschaft verloren hatte und sie dennoch problemlos zu Potte gekommen war. „Wo man doch überall sparen kann?!“ merkte ich unüberlegt an. Unter ihrem spontan kräftigen Auflachen erntete ich hierauf von ihr die Erwiderung „Typisch Schwäble!“ Ehrlich! Ich meinte nicht das Geldsparen sondern das Einsparen an Gewicht! Als wir endlich in unseren Anschlussbus einsteigen konnten, der uns nach Deutschland bringen sollte, neigte sich der Tag bereits seinem Ende. Nunmehr saß ich endlich im Bus nach Hause, so wie ich es mir in den letzten Tagen immer gewünscht hatte. Ein Gefühl unsäglicher Entspanntheit, ein Vorauseilen heimischer Vertrautheit bemächtigte sich meiner. Auch das Rauchverbot im Bus während der langen Fahrt ohne Zwischenstopps tat diesem keinen Abbruch.
Samstag, den 03.07.:
Etwa um 15.30 Uhr kam unser Zubringerbus von Ludwigshafen in Karlsruhe an. Mit der Stadtbahn fuhr ich sodann noch ca. 60 km zu meinem Heimatort. Die Sonne strahlte. Die vorbeiziehende Landschaft des Kraichgaus war in warmes, angenehmes Licht getaucht. Beim Anblick der Schönheit unserer heimischen Landschaft ging mir das Herz auf. Die sich an sanfte Hügel schmiegenden Wiesen, Felder und Wälder waren während meiner Abwesenheit herangereift. Hätte ich diese Natur in Spanien angetroffen, ich wäre mehr als entzückt gewesen, schoss es mir durch den Kopf. Durch längere Abwesenheit wird nicht nur der Blick für die Schönheit der heimischen Landschaft
geschärft, sondern man lernt diese auch wieder zu schätzen. Mein Outfit wurde von den Stadtbahninsassen schon ein wenig belächelt. Endlich durchfuhr der Zug unsere württembergische Reblandschaft. Welch eine Erleichterung! Ich war mit Geist, Herz und Seele wieder zu Hause! Etwa um 17.30 Uhr stand ich endlich vor der heimischen Haustüre. Ein wenig enttäuscht war ich schon, dass sich niemand bei diesem herrlichen Samstagabend im Garten aufhielt und mich begrüßte. So blieb nichts anderes übrig, als zu schellen (läuten). „Es isch offä!“ tönte es kurz angebunden aus der Türsprechanlage. So hatte ich mir den Empfang wahrlich nicht vorgestellt. Also betrat ich unser Haus, stellte mein Gepäck vor meiner Wohnungstüre ab und begab mich hinauf zur elterlichen Wohnung. Der erste Blick meiner Mutter beim Betreten der Wohnküche verhieß zugleich Überraschung, Entsetzen und Verwunderung, bis letztendlich die Wiedersehensfreude überwog. Sogleich musste sie mir die Freude aller unserer Hausbewohner über mein gestern im Amtsblättle erschienenes Inserat mitteilen. Kurz vor meinem Schellen habe sie mit meinem Bruderherz Leander telefoniert, der beim ersten Schellen das Gespräch rücksichtsvoll unter dem Hinweis beendet hatte, dass jemand kommen würde. Sie hätte geglaubt, es sei Vater, der vom Schwaigerner Kilianfestle zurückgekehrt sei und wieder einmal den Schlüssel vergessen habe. Erstmals erfuhr ich, dass Leander meine Mutter ständig über den Stand meiner Wanderschaft telefonisch unterrichtet und dass sie diesen anhand einer unentwegt offen auf dem Wohnzimmertisch liegenden Landkarte von Station zu Station nachvollzogen hatte. Auch hatte sie sich dazu bekannt, dass sie den ersten Teil meines Reisetagebuches, das ich per Post heimgeschickt hatte, gelesen und Freud und Leid meiner Wanderschaft mitdurchlebt hätte. Ihre Worte überschlugen sich. Bei all der Wiedersehensfreude ging es nicht gerade leise zu, so dass Tante Anni aus ihrer
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