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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Nachtruhe.
     

Donnerstag, den 01.07.:
     
    Obgleich ich keinen Wecker bei mir hatte, wachte ich wie schon öfters auf meiner Reise festgestellt zwischen 7.30 Uhr und 8,00 Uhr auf, so dass ich trotz Duschen und Trödeln beim Anziehen noch einige Zeit auf Einlass in eine Frühstücksbar im Zentrum Santiago de Compostelas warten musste. Hernach begab ich mich in das Pilgermuseum, in welchem nicht nur die Jakobspilgerschaft sondern auch das weltweite Pilgerwesen anderer Religionen anschaulich dargestellt wurde. So konnte ich Folgendes zur Wallfahrt lesen:
     
„All diejenigen Religionen, die sich auf mehr als ein bestimmtes Gebiet, eine einzige Rasse oder Kultur ausbreiten konnten, erzeugten diese Art der Verbindung mit geweihten Stätten. Es gibt Hinweise auf prähistorische Wallfahrten und Aufzeichnungen über Pilgerungen in der mesopotamischen, ägyptischen und griechischen Kulturgeschichte, die später im christlich-mohammedanischen Mittelalter ihren Höhepunkt erreichten, der bis in unsere heutigen Tage fortdauert, ebenso wie die Fahrten zu den heiligen Orten Indiens und Chinas. Die Wallfahrt ist ein ritueller Weg, den man einzeln oder gemeinschaftlich zurücklegt zum Zwecke der Läuterung, der Vervollkommnung oder der Erlösung. Aus dieser religiösen Erfahrung ergeben sich eine Reihe von Verbindungen: Die Vereinigung eines unheiligen Ortes mit einer überirdischen Kraft, eines einzelnen Pilgers mit einer Gemeinschaft und des realen Pilgers mit dem, der geläutert wird dank der Erfüllung seiner Verpflichtung. Diese Beziehungen unterscheiden die Wallfahrt von anderen zurückgelegten Wegstrecken oder Reisen. Um eine Wallfahrt nachzuweisen, sind deshalb ein geheiligter Ort, Weg und Zweck unumgänglich. Der geheiligte Ort kann verschiedene Formen annehmen. Er kann sowohl ein Baum, eine Quelle, ein Berg, jede beliebige Stadt oder jedes beliebige Gotteshaus, in dem Reliquien verehrt werden, als auch der Kontakt zwischen dem Menschen und dem überirdischen sein. Auf dem Weg aber, Metapher irdischen Daseins, beginnt eine wahrnehmbare, personelle Veränderung aufgrund einer Reihe von Riten, die im Moment der Ankunft ihren Höhepunkt erreichen. Wenn der Pilger einmal sein Ziel erreicht hat, verwandelt er sich in einen neuen Menschen. Die religiösen Bauten, als Teil des Jakobsweges, waren die am meist begehrtesten und privilegierten Orte, die dem Pilger als Hilfe zur Verfügung standen. Am Ende seiner Tagesreise suchte der Pilger einen Ort zum Ausruhen, an dem er gleichzeitig die geistige Motivierung, mit der er seinen Weg begonnen hatte, erhalten konnte. Das erklärt auch, dass häufig von den Hauptstrecken abgezweigt wurde, um andere Orte aufzusuchen, wo Reliquien verehrt oder religiöse Ereignisse gefeiert wurden.“
     
    Nach dem Museumsbesuch war es an der Zeit, Mittagstisch zu halten. Hierzu suchte ich mir eine kleine Fischbar aus. Bei dem schönen Wetter ließ ich mich natürlich in einer Straßenwirtschaft nieder. Neben einem Krabbentopf verzehrte ich noch einen Muschelteller mit Brot und Rotwein. Anschließend machte ich mich weiter auf die Suche nach Souvenirs.
    Bei meiner Suche kam ich auch zufälliger Weise beim Pilgerbüro vorbei, an dessen Fassade Unzählige neben ihren abgeschulterten Rucksäcken auf dem Boden saßen. Zum ersten Male verspürte ich,
    dass ich mit diesen Neuankömmlingen außer dem Umstand, es gleichfalls allerdings schon lange zuvor geschafft gehabt zu haben, nichts gemein hatte.
    Ich war auf meinem Weg nach Santiago de Compostela sozusagen in drei Pilgerwellen mitgeschwommen. Zur ersten Welle zählte u.a. die Bekanntschaft mit Nick, dem Herrn aus Luxemburg, den ich während der Ära meiner Fußbeschwerden endgültig aus den Augen verloren hatte. Nachdem mein Fußleiden verflogen war, kamen nacheinander Alice, Karin und andere hinzu, die ich in Santiago de Compostela und zum Teil auch in Finisterra wieder traf. Nunmehr waren jedoch alle auf meiner Wanderschaft Kennengelernte heimgekehrt. Ich kannte keinen nicht einmal vom Sehen her und war als einziger noch übrig geblieben.
    Auch war meine Freude, in Santiago de Compostela angekommen zu sein, meinem Heimweh gewichen. Schon auf dem Monte do Gozo hatte ich Berd beigepflichtet, dass auch ich mich auf meine Heimkehr freue, obgleich dieses Empfinden gegenüber der unsäglichen Vorfreude auf Santiago de Compostela damals weit hintan gestanden hatte. In Saint-Jean-Pied de Port war es die Freude des Aufbruchs. In Compostela jedoch war meine

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