Jan Fabel 04 - Carneval
vollstopften. Alle jubelten und schnappten nach den Süßigkeiten, die von den kostümierten Passagieren der Festwagen in die Menge geworfen wurden.
Der Zug wurde langsamer und kam vorübergehend zum Stehen, damit der vorgeschriebene Abstand zwischen den Wagen eingehalten wurde. Die Menge jubelte unverzagt weiter. Fabel musterte die Gesichter in der Umgebung: Clowns, übergroße Schlapphüte in schrillen Farben, Kinder mit bemalten Gesichtern auf den Schultern ihrer Eltern.
Dann entdeckte er ihn. Der Mann trug dieselbe goldene Maske und dieselbe schwarze Kleidung wie zuvor und stand vier oder fünf Reihen hinter ihm. Fabel drängte sich durch die Masse auf die Gestalt zu, als er plötzlich auf eine weitere goldene Maske aufmerksam wurde. Dann auf noch eine. Und noch eine. Fünf … nein, sechs waren in der Menge verstreut. Sämtliche goldene Masken beobachteten Fabel, nicht den Rosenmontagszug. Er blieb stehen und überlegte, welcher der Maskierten Witrenko sein mochte. Zwei der Gestalten kamen auf ihn zu. Fabel und die beiden Männer mit den goldenen Masken bildeten eine Insel in einem Meer von Feiernden.
»Ich habe doch gesagt, dass ich dies nur Herrn Witrenko übergebe«, begann Fabel. Keiner der Maskierten bewegte sich, doch er hörte Witrenkos Stimme.
»Und ich habe gesagt, dass ich nicht so leicht in die Falle gehen würde.«
Fabel wirbelte herum und stand noch einer identischen goldenen Maske gegenüber. Die beiden anderen Männer schlossen hinter seinem Rücken zu ihm auf.
»Haben Sie alles?«
»Ich habe die Fotokopien des Originals. Wo ist Maria Klee?«, fragte Fabel. Die Menge um ihn herum applaudierte einem weiteren Festwagen.
»In Sicherheit. Sie wird freigelassen, wenn ich mit dem Dossier zurückkehre.«
»Nein, das war nicht unsere Absprache. Der Austausch sollte hier stattfinden. Wenn ich Sie mit dem Dossier verschwinden lasse, werden Sie sie umbringen. Oder sie ist schon tot.« Bonbons, die von einem Festwagen mit dem traditionellen kölschen Ruf »Alaaf!« heruntergeworfen wurden, regneten auf ihn ein. Die Menge antwortete: »Kölle alaaf!«
»Stimmt, Herr Fabel, ich kann sie nicht mehr austauschen. Aber das spielt keine Rolle, weil Sie das Dossier mitgebracht haben. Vielen Dank und Adieu.«
Witrenko packte Fabel an der Schulter und zog ihn dicht an die ausdruckslose venezianische Maske heran. Einer der anderen entriss ihm die Tragetasche. Witrenkos freie Hand stieß ein Messer in Fabels Unterleib. Der krümmte sich und rang nach Luft.
In diesem Moment sprang eine Schar Polizisten unter dem Vorhang des Kölner Polizeifestwagens hervor. Benni Scholz, der oben mitgefahren war, machte in seinem Komödiantenkostüm einen Satz auf die Straße. Die Menge applaudierte begeistert, da sie es für einen Teil des Schauspiels hielt, als sich die Beamten durch die Menschen hindurchdrängten. Witrenko schaute auf Fabel nieder, dann auf das Messer in seinem Handschuh. Er ließ es fallen und rannte in die Menge hinein.
»Hinter ihm her!«, brüllte Scholz seinen Männern zu. Er drängte sich zu der Stelle durch, wo Fabel zusammengebrochen war.
7.
Scholz legte den Arm um Fabels Schultern und half ihm behutsam auf die Beine. »Alles in Ordnung?«
Fabel warf einen Blick auf das Loch in seinem Mantel und seinem Jackett. »Nur außer Atem.«
»Ein Glück, dass du seine bevorzugte Waffe kanntest. Wenn er eine Pistole benutzt hätte, wäre eine Stichschutzweste nicht sehr nützlich gewesen.«
»Los jetzt«, sagte Fabel.
Die Schutzpolizisten hatten bereits zwei der verkleideten Männer gefasst und ihnen die Maske vom Gesicht gerissen. Fabel, Scholz und ein halbes Dutzend Uniformierte arbeiteten sich durch die Menge vor, die, je weiter sie sich vom Umzug entfernten, immer spärlicher wurde.
»Da drüben!«, rief einer der Uniformierten und zeigte auf eine dunkle Gestalt, die das Publikum hinter sich gelassen hatte und in Richtung Rhein davonlief.
»Nein … wartet«, befahl Scholz. »Da ist noch einer.« Er zeigte auf eine zweite Gestalt, die zum Bahnhof rannte. »Und noch einer …« Eine dritte goldene Maske funkelte in der Wintersonne, als sich ihr Träger umdrehte und auf die Rückseite des Domes zusteuerte.
»Wir müssen uns aufteilen und allen folgen«, brüllte Fabel. »Aber in Gruppen von mindestens drei Mann. Das sind gefährliche Scheißkerle. Benni, wir nehmen uns den Knaben am Dom vor. Bist du bewaffnet?«
Benni griff tief in sein übergroßes Kostüm und holte seine Sig-Sauer Automatik
Weitere Kostenlose Bücher