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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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1. Teil
     
    Kapitel 1
     
    Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte, war klein und stämmig und kam von links vorne aus einer Menschenmenge he raus auf mich zugehastet. Obwohl er rannte, lagen seine aschblonden Haare streng gescheitelt auf seinem Kopf. Ich weiß noch, dass er Bundeswehrhosen mit Bügelfalte trug und eine hellbraune, abgewetzte Lederjacke. Er zeigte mir einen Ausweis mit einem sternförmigen Emblem und sagte:
    „Ich bin Polizist im Zivileinsatz und habe gerade zwei L adendiebe beobachtet. Allein werde ich nicht mit ihnen fertig, und die Kollegen können nicht schnell genug hier sein. Würden Sie mir bei der Festnahme helfen?“
    Ich nickte.
    „Klar.“
    „Dann kommen Sie.“
    Schon hatte er sich wieder umgedreht und rannte zurück in die Richtung, aus der er auf mich zugekommen war. Ich beeilte mich, zu ihm aufzuschließen.
    „Sie haben sich in die Gasse da vorne verdrückt.“
    Aus dem Gedränge der Passanten in der Fußgängerzone gelangten wir in den Schatten einer unbelebten Nebenstraße.
    „Die da.“
    Er deutete mit einer Kopfbewegung auf zwei junge Kerle, die in einem Hauseingang herumlungerten und dabei waren, sich Zigaretten anzustecken.
    „Sie nehmen den rechten!“
    Seinen Ausweis hatte er noch in der Hand gehabt. Er hielt ihn hoch und rief:
    „Polizei, kommen Sie bitte mit!“
    Sofort griff er sich den kleineren der beiden Burschen, und ich konnte sehen, wie ich mit dem größeren zurechtkam. Kurzerhand fasste ich ihn am Oberarm und zog ihn aus dem Hauseingang auf den Bürgersteig. Der Polizist war mit seinem Verhafteten schon einige Meter voraus. Unser Abstand vergrößerte sich zusehends, denn der Mann, der mir zugeteilt war, ging gemächlich wie ein Eselsfuhrwerk und ließ sich nicht schieben noch drängen. Als endlich auch wir ins Menschengewühl der Fußgängerzone eintauchten, begann er sich gegen meinen Griff zu wehren.
    „Muss das sein, dass sie mich vor allen Leuten am Arm halten?“
    Ich sah, dass der Polizist seinen Verhafteten losgelassen hatte. Bereit, bei einer Fluchtreaktion sofort nachzusetzen, nahm ich meine Hand vom Oberarm des Mannes. Er blieb an meiner Seite und rauchte seine Zigarette.
    Wir erreichten den Haupteingang des Modegeschäftes „CbT“, in dem der Diebstahl stattgefunden haben sollte. Der Polizist war schon mi tten im Laden an der Rolltreppe, ich sah seinen Kopf zwischen den Köpfen der Kunden erscheinen und wieder verschwinden. Kurz vor der Glasschiebetür, mitten im Eingangsbereich, blieb der Mann, den ich abzuführen hatte, plötzlich stehen. Menschen drängten sich auf beiden Seiten an uns vorbei. Irritiert sah ich ihn an. Er hob als Antwort die Hand mit seiner Zigarette kurz in die Höhe, bevor er sie zum Mund führte, nahm einen tiefen Zug und blies genussvoll aus.
    „Da drin ist Rauchen verboten.“
    „Dann machen Sie die Zigarette aus.“
    „Ich will erst zu Ende rauchen.“
    Er steckte die Zigarette in den Mund und nahm einen weiteren tiefen Zug. Sie war erst halb geraucht. Der Ärmel seiner Lederjacke knarrte leise, als er den Arm anwinkelte. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Mir fiel auf, wie jung er war, und doch schon ein Stier von Mann, unter seinem Pulli wölbte sich ein tonnenförmiger Brustkorb. Er hätte meine 1,90 leicht überragt, seine Arme und Beine waren länger und kräftiger als meine, aber sein Oberkörper war unverhältnismäßig gedrungen, sein Kopf saß halslos auf den Schlüsselbeinen.
    Wieder zog er an seiner Zigarette, blies den Rauch aus. Seine bla uschwarzen Haare trieften vor Gel. Die Frisur sah aus wie mit Schuhcreme auf den Kopf gespachtelt.
    „Warum lassen Sie mich nicht einfach laufen?“
    Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie ein Angebot – als sollte nicht ich ihm entgegenkommen, sondern als gäbe er mir eine Chance damit. Ich schüttelte den Kopf.
    „Weil Sie verhaftet sind.“
    „Aber Sie sind gar kein Polizist. Ich hab das gleich gemerkt.“
    Er sog an seiner Zigarette und sah mich dabei mit verengten A ugen an.
    „Bitte machen Sie jetzt die Zigarette aus.“
    Er blies den Rauch in einem dünnen Strahl von sich und behielt die Zigarette in der Hand.
    „Wenn die meine Personalien aufnehmen, dann schieben sie mich ab.“
    „Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen.“
    „Ihnen kann es doch egal sein, was mit mir passiert.“
    Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte. Bevor der Polizist mich angesprochen hatte, wäre es mir egal gewesen – nun war es das nicht

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