Januskopf
senkte die Stimme. »Seine leibliche Mutter heißt Carla. Carla Nerius.«
Die Frau hatte begonnen, ihre Tasche mit viel Getöse auszupacken. Sie schielte in Katinkas und Sabines Richtung.
»Wie findest du übrigens Hardos Fortschritte?«, erkundigte sich Sabine.
»Ich traue ihnen nicht über den Weg«, seufzte Katinka.
Sabine spielte mit einer Flasche Duschgel herum.
»Katinka! Die Verletzung ist über ein Vierteljahr her!«
Wieder flatterte ein neugieriger Blick zu ihnen herüber.
»Dennoch. Dass er sich so schnell erholt hat ...«
Hauptkommissar Uttenreuther war im Verlauf ihres letzten gemeinsamen Falles angeschossen worden. Katinka musste nicht einmal die Augen schließen, um die Szenerie vor sich zu sehen: Hardo, der im Schneematsch lag, die eine Hand auf den Einschuss gepresst, die andere nach seiner Pistole tastend. Sie schauderte.
»Es war ein Prallschuss. Das ist was anderes als ein direkt abgefeuertes Projektil. Außerdem ist er sofort operiert worden. Dank einer gewissen Katinka Palfy«, sagte Sabine grinsend.
Pssst, machte Katinka lautlos und wies auf die Dritte im Raum. Die zog sich reichlich langsam um und knotete schon zum dritten Mal die Schnürsenkel. Katinka fiel der missmutige Blick auf, mit dem sie Sabine bedachte.
»Du musst das so sehen«, bemerkte Sabine. »Er hat Reserven. Nicht nur den Bierbauch. Er war vorher durchtrainiert, sportlich, hatte ohnehin Kondition. Das beschleunigt jede Genesung.«
Katinka wollte das gerne glauben. Manchmal lag sie nachts wach und dachte an die schrecklichen Minuten in jener Januarnacht. Dann griff ein widerliches, schuppiges Tier mit Krallenpfoten nach ihrem Herzen und drückte es so fest zusammen, dass sie kaum atmen konnte.
Sabine berührte ihre Schulter und ging zu den Duschen hinüber. Sie sah unglaublich gut aus, wie sie nun das lange, blonde Haar löste, zurechtschüttelte und in der Kabine verschwand.
Hardo. Katinka fragte sich von Zeit zu Zeit, ob es stimmte, was ihre beste Freundin Britta ihr vorhielt: Dass sie, Katinka, zwischen zwei Männern stand. Britta stand gewöhnlich sowieso zwischen mehreren Männern, für sie war das normal, aber es war nicht Katinkas Stil. Und dann war da Toms Unruhe in den letzten Tagen, die ihn unausstehlich machte. Verständlich angesichts seiner komplizierten Familienverhältnisse, aber schwer zu ertragen.
Seufzend stand Katinka auf und zog die verschwitzten Sachen aus. Die warme Dusche tat ihr gut. Als sie endlich wieder herauskam, war Sabine schon fertig.
»Ich warte vorne auf dich«, sagte sie.
Katinka cremte sich ein und zog sich an. Als sie gerade ihr Haar trocknete, sich versonnen im Spiegel betrachtend, sagte jemand:
»Frau Palfy?«
Sie fuhr herum, mehr erstaunt als erschrocken. Die Frau von vorhin stand vor ihr. Nun schon etwas verschwitzt, das grelle Haar klebte ihr in der Stirn.
»Ja?«, fragte Katinka argwöhnisch.
»Mein Name ist Charlotte Isenstein. Es tut mir leid, wenn ich Sie in Ihrer Freizeit behellige. Sie sind doch die Privatdetektivin Palfy?«
»Ja«, sagte Katinka und bemühte sich um einen kundenfreundlichen Unterton, obwohl ihr der Gedanke nicht gefiel, mit dem Föhn in der einen und der Haarbürste in der anderen Hand einer neuen Klientin gegenüberzustehen.
»Ich ... eigentlich mein Mann ... bräuchte Ihre Hilfe.«
»Gern.« Katinka legte den Föhn und die Haarbürste weg. »Ich bin nachher wieder in meinem Büro. Geben Sie mir Ihre Nummer, dann rufe ich Sie wegen eines Termins an.«
»Tja.« Charlotte Isenstein trat von einem Fuß auf den anderen. »Mein Mann ist kein gewöhnlicher Kunde.«
Das hat mir in meiner Sammlung gerade noch gefehlt, dachte Katinka. Ein Prominenter. Oder einer, der sich dafür hält. Isenstein. Sie überlegte krampfhaft, aber da leuchtete kein rotes Lämpchen auf. Vielleicht ein Stadtrat. In der lokalen Politik kannte sie sich so gut wie gar nicht aus.
»Mir wäre es recht, wenn Sie zu uns nach Hause kommen könnten. Dann besprechen wir die Dinge in Ruhe.« Eine steile Falte nahm Kurs auf Charlotte Isensteins Nasenwurzel.
Service ist alles, ermahnte Katinka sich in Gedanken. Der Kunde ist König. Und zur Zeit liegen nur langweilige Aufträge auf meinem Schreibtisch.
»Gibt es dafür einen besonderen Grund?«
»Das werden Sie merken, wenn Sie mit meinem Mann zusammentreffen.«
Donnerwetter, dachte Katinka. Charlotte Isenstein hielt ihr eine Visitenkarte hin.
»Hier ist meine Handynummer. Rufen Sie mich an? Gleich heute noch?«
»Mach ich«,
Weitere Kostenlose Bücher