Januskopf
gefragt. Er hat ›ja‹ gesagt«, verkündete Tom an diesem Abend.
Katinka saß auf dem Bett und verpflasterte ihre zerklüfteten Knie. Sie sah auf. Tom stand mitten im Zimmer, in Shorts, ein Handtuch um den Hals. Seine nassen Haare glänzten.
»Wie ging noch mal der Anfang der Geschichte?«, fragte Katinka misstrauisch.
»Er hat ›ja‹ gesagt. Er macht meinen Trauzeugen.«
»Sieh einer guck«, sagte Katinka, während sie ihre Verblüffung mit einem Grinsen erstickte. So viel also zu Hardos dienstlichem Termin. »Du heiratest? Wer ist die Glückliche?«
Tom setzte sich neben sie. Sein Zeigefinger glitt zärtlich über den Bluterguss an ihrem Arm.
»Heirate mich, Katinka!«
Katinka packte die Pflasterrolle wieder in ihre Schachtel. Ihre Finger bebten ganz leicht. Sie legte die Schachtel auf ihren Nachttisch und sagte:
»Zwei Bedingungen.«
»Ich wusste, du würdest nicht ablehnen.« Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln.
Sie atmete tief ein. Er duftete nach Speickseife. Katinka liebte Speickseife. Am allermeisten auf Toms Haut.
»Wir heiraten ohne Klimbim.«
»Geschenkt«, sagte Tom gut gelaunt und fuhr ihr durchs Haar. »Auf diese Weise spare ich mein sauer Verdientes.«
»Das heißt nicht, dass wir auf eine Fete verzichten!«
»Wie lautet die zweite Bedingung?«
»Ich behalte meinen Namen.«
Tom lachte.
»Meine Güte, Frau Palfy. Wie käme ich auf die Idee, dass Frau Kommerzienrat ihre Verbindung zu k. u. k. ablegen würde, um einen schnöden preußischen Namen anzunehmen.« Er stand auf, nahm ein frisches T-Shirt aus dem Schrank und zog es über. »Stattdessen könntest du mir freundlicherweise deinen Namen abtreten. Natürlich nur, wenn du dein fernes ungarisches Erbe mit mir teilst.«
»Du willst Palfy heißen?«
»Es wäre mir eine Ehre.«
Katinka betrachtete ihn eine Weile. Wie Britta gesagt hatte: Sie könnte keinen besseren kriegen. Sie dachte an Hardo und Elvira Hanf. Tief in ihrem Herzen wünschte sie, dass die beiden zusammenkommen würden. Die Gedanken entglitten ihr und verloren sich in den Filmschnipseln der letzten Tage. So viel Trauer und Liebe und Angst und Hoffnung. Sie dachte an Charlotte, die Mann und Sohn und in gewisser Weise auch ihre Tochter in einer Nacht verloren hatte, und an das große Haus mit Ewalds Hinterlassenschaften. Stapelweise Kladden mit seinen Texten, die Charlotte nun alle sichten wollte. Als habe sie erst jetzt die Kraft, sich mit ihrem Mann auseinanderzusetzen. Mit dem Ewald auseinanderzusetzen, der er nun einmal gewesen war.
»Wenn du ihn nicht hergibst, komme ich natürlich auch zurecht«, sagte Tom jetzt.
»Wen hergebe?«
»Deinen Namen.«
»Ach so!« Katinka lachte erleichtert. »Nein. Du kannst ihn haben. Ich stehe auf emanzipierte Männer.«
E n d e
Nachwort
Neben vielen anderen haben mir Hauptkommissar Günter Pelzel in Sachen Polizeiarbeit, Rechtsanwältin Gerlinde Kurzka bei den juristischen Feinheiten und Dr. med. Bernd Dietz in Sachen Anatomie unter die Arme gegriffen.
Fehlerhaftes, Ungenaues und Abgewandeltes liegt in meiner eigenen Verantwortung. Alle Schauplätze sind authentisch, Detailabweichungen sind der künstlerischen Freiheit geschuldet.
›Januskopf‹ beabsichtigt keine literaturwissenschaftliche Behandlung des Hoffmannschen Werkes.
Dieser Krimi ist ein Roman. Er entstand mitsamt allen Figuren in meinem Gehirn. Vermutlich übernahmen meine Schläfenlappen dabei eine herausragende Rolle. Sollte jemand Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Handlungen festzustellen meinen, so sind diese zufällig und unbeabsichtigt, und es wäre die Frage zu klären, welches Gehirn wem einen Streich spielt.
Friederike Schmöe
Bibliografie
Die Zitate aus E. T. A. Hoffmanns ›Die Elixiere des Teufels‹ stammen aus folgender Ausgabe:
E. T. A. Hoffmann, Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners. Herausgegeben von Wolfgang Nehring. Stuttgart, Philipp Reclam jun. Band 192. Bibliographisch ergänzte Ausgabe 2000.
Interessante Informationen zu Schläfenlappenepilepsie, Schreibrausch und dem kreativen Gehirn findet man in:
R. E. Cytowic, The Man Who Tasted Shapes. London 2003.
Alice W. Flaherty, Die Mitternachtskrankheit. Warum Schriftsteller schreiben müssen. Schreibzwang, Schreibrausch, Schreibblockade und das kreative Gehirn.
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