Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
älteren Menschen vertrauen
Ich erinnere mich noch ganz genau, als ich ein kleiner Junge war: Die Dinosaurier waren gerade ausgestorben (bis auf den allerletzten zähen T-Rex, der röchelte noch …), und unser Hausarzt hieß Dr. Teddy Morgan. Der hat Gott sei Dank noch nicht geröchelt. Ich habe ihn damals auf etwa einhundertzwanzig Jahre geschätzt. Er hieß nicht nur Teddy – er sah für mich auch ein bisschen so aus: wie ein fülliger, weißhaariger, trostspendender Knuddelbär. Wenn ich mal krank war, konnte ich mich darauf verlassen, dass Dr. Teddy Morgan wenig später beim Hausbesuch vor meinem Bett stehen würde. Tonlos den Radetzkymarsch pfeifend drückte er mir dann einen Holzstab auf die Zunge und ließ mich unendlich lang »AAAAAAAAH« sagen. Nachdem er mich mit seinem eiskalten Stethoskop abgehört und seinen faltigen Händen abgeklopft hatte, klappte er stets die Arzttasche zu und sagte mit ernster Miene und tiefer Stimme etwas wie: »Das sind die Masern. In vier Tagen sind die weg!«
Und wenn Dr. Teddy Morgan, der weise Onkel mit dem Stethoskop, etwas versprach, dann hielt die Natur sich da auch dran – in vier Tagen waren die weg!
Bis heute prägt mich das kindliche Urvertrauen, das Dr. Teddy Morgan mir vor vielen Jahren als kleinem Billy-Boy mitgab. Ob Ärzte, Priester oder Piloten: Ich möchte mich älteren Menschen anvertrauen. Heute bin ich fast fünfundsechzig Jahre alt. Und damit wahrscheinlich schon um einiges älter, als Dr. Teddy Morgan – Gott hab ihn selig – damals in Wirklichkeit war. Meine langjährige Patientenphilosophie, nur auf Mediziner mit mindestens dreißig Jahren mehr Lebensweisheit zu hören, stößt an ihre Grenzen – sofern ich nicht gerade meinen alten Hausarzt auf dem Bonner Zentralfriedhof besuche. Es führt kein Weg daran vorbei: Ich muss meine Ansprüche fürs bedingungslose Vertrauen in steinalte Menschen ein wenig herunterschrauben – zehn Jahre Altersunterschied zu Experten, denen ich nicht weniger als mein Leben anvertraue, müssen aber immer noch sein. Mindestens!
Kennt noch jemand Quincy? So einen Arzt wünsche ich mir! Natürlich so alt, wie er heute ist, damit es alterstechnisch wieder hinkommt. Wobei … Der hat ja Tote behandelt. Vielleicht also doch lieber nicht. Dann schon besser mein Kollege Dr. Dressler aus der »Lindenstraße«. Der ist ein super Arzt. Fünfundsiebzig Jahre alt und seit 1386 Folgen Mediziner. Dr. Dressler, der mich wie damals Teddy Morgan als kleinen Jungen vor meinem Bett mit dem eiskalten Stethoskop abhört, mit seinen faltigen Händen abklopft – und am Ende die Arzttasche zuklappt und mit ernster Miene und tiefer Stimme etwas sagt wie: »Bill, das ist die Säuferleber. In vier Tagen ist die weg!«
Übrigens: Als junger Billy-Boy hatte ich auch einen alten, stets achtsamen Busfahrer, der uns kleine Hosenscheißer jeden Morgen sicher in die Schule und wieder zurück brachte. So etwas prägt fürs Leben. Sie ahnen daher, dass es mir emotional bei Piloten nicht viel anders geht als bei Ärzten. Ja, ich möchte auch ältere Menschen als Piloten haben! Wenn ich mit meiner Familie in einer dieser Blechbüchsen mit Kranich am Heck nach Kanada fliege, 10000 Meter hoch und 6393 Kilometer lang über den Atlantischen Ozean – dann hat der Pilot vorne im Cockpit gefälligst mindestens wie Clint Eastwood auszusehen.
Doch was krieg ich stattdessen? Jedes Mal diese smarten, blutjungen Pilotenküken mit keck hinter sich hergezogenem Flightcase, kaum älter als Justin Bieber, Bartwuchs selbst mit dem Hubble-Teleskop noch nicht sichtbar! Keiner kann mir verübeln, dass ich aus Reihe 14 dann immer rufe: »Kommt, Kinder, lasst den Vorhang da vorne schön auf! Ich will genau sehen, was der Pilot da macht … Beide Hände ans Steuer! Bist du angeschnallt? Hast du den Rückspiegel richtig eingestellt? Und immer geradeaus gucken, sonst komm ich da vorne vorbei!«
Zugegeben: Es kann andererseits auch problematisch werden. Neulich hatte ich einen Piloten ganz nach meinem Geschmack: ein Methusalem mit schneeweißem Haar, bestimmt vierzig Jahre Flugerfahrung sprühten ihm aus jeder steinalten, ausgeleierten Pore. Perfekt. Dachte ich. Bis ich beim Abheben der Maschine seine brüchige Stimme durch die Bordlautsprecher hörte:
»KZZZZRRRRRRR … Ja, schönen guten Tag … Herzlich willkommen an Bord unserer Boeing 7 äh … unserer Boeing 7 … äh, Boeing 4711! Nach, äh … nach … äh, ja … nachher sag ich Ihnen
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