Jeans und große Klappe
drei Kellner und ein Koch Unterhalt für außereheliche Kinder. Ich frage mich nur, wie die das zeitlich fertiggebracht haben. Bei uns ist doch kaum jemand vor ein Uhr ins Bett gekommen.«
»Du etwa auch nicht?«
»Nee, bei mir wurde es manchmal noch später, weil ich aufräumen mußte. Ich brauchte zwar morgens erst um zehn Uhr anzufangen und hatte auch mittags zwei bis drei Stunden frei, aber dann war Rush-hour bis Mitternacht. Manchmal war das schon ein ziemlicher Schlauch. Und dein sogenannter Schulfreund ist der reinste Sklaventreiber. Bei dem wäre ich sowieso nicht geblieben, aber ich wollte wenigstens mein halbes Jahr herumbringen. Na ja, fünf Monate reichen aus. ›Da ich zu Hause bin, bin ich an einem bessern Ort‹. Ist übrigens von Shakespeare. Der ist gar nicht so ohne, wir haben ihn im Speisesaal oft rezitiert. Macbeth zum Beispiel, wenn die Gästeschar kein Ende nahm: ›Wie! Dehnt die Reih sich bis zum Jüngsten Tag?‹«
»Es freut mich, daß die sieben Jahre Gymnasium nicht völlig umsonst gewesen sind«, sagte Rolf sarkastisch, »aber deine unerwarteten Kenntnisse der englischen Literatur erklären noch immer nicht, weshalb du jetzt hier am Tisch sitzt!«
»Also, das war so: – Kann ich mal 'ne Zigarette haben? Danke. – Der Oberkellner vermißte die Abrechnungen der vergangenen Woche, stellte das ganze Office auf den Kopf, das heißt, ich stellte und er sah zu, und als der Krempel nirgends zu finden war, fiel ihm ein, daß die ganzen Papiere möglicherweise in den Papierkorb gefallen und folglich auf dem Müll gelandet sein könnten. Der wird zusammen mit Küchenabfällen und allem anderen Dreck in einem Container gesammelt. Dort sollte ich nun rein und diese dämlichen Abrechnungen suchen. Ich habe mich natürlich geweigert, vielleicht bin ich auch ein bißchen pampig geworden, jedenfalls hat mir der Markowitz eine geknallt, und ich habe zurückgeschlagen. Ende der Vorstellung.«
»Man schlägt keine Vorgesetzten«, war das einzige, was mir dazu einfiel.
»Erstens war er das gar nicht, zweitens hat er mich von Anfang an schikaniert, und drittens ist er erst vierundzwanzig, aber doppelt so aufgeblasen.«
Rolf griff zum Telefon. »Laß das bitte, Paps, da kannst du doch nichts mehr einrenken! Außerdem will ich auch gar nicht zurück. Ich habe gelernt, wie man Bierleitungen säubert und Schnee schippt, kann perfekt Kassenbons auf Drähte spießen und beleibten Damen in den Persianer helfen, aber nun reicht es.«
»Was willst du denn jetzt machen? Weiter zur Schule gehen?« fragte Rolf hoffnungsvoll.
»Das nun ganz bestimmt nicht. Mir gefällt die Hotelatmosphäre. Ich bleibe auch dabei, nur muß ich eben richtig einsteigen.«
»Am besten gleich als Direktor, nicht wahr?«
Sascha grinste. »Wäre gar nicht so schlecht. Dein Schulfreund hat bloß gesoffen und Besucher empfangen, damit wir Angestellte ungestört arbeiten konnten. – Aber mal im Ernst, Paps, wenn man in dieser Branche etwas werden will, muß man von der Pieke auf lernen, entweder als Kellner oder als Koch. Koch kommt nicht in Frage, bleibt also Kellner. Dann kommen noch ein paar Monate Hotelfachschule und anschließend ab ins Ausland, Sprachen lernen. Der Markowitz, also der Oberkellner vom Berghotel, ist menschlich zwar eine Niete, aber sein Fach versteht er. Der spricht außer Deutsch noch fließend Englisch und Französisch, leidlich gut Italienisch und ein bißchen Spanisch. Das hat mir mächtig imponiert.«
Rolf hatte offenbar nur ein einziges Wort verstanden, nämlich Kellner. »Du willst mir doch nicht weismachen, daß du dein Leben lang Bier und Bockwürste durch die Gegend tragen möchtest?«
Sascha blickte ergeben an die Zimmerdecke, als ob ihm von dort eine Erleuchtung käme, um dann seinem Vater in einem Tonfall, den man normalerweise Kleinkindern gegenüber anschlägt, seinen künftigen Werdegang zu erklären:
»Sieh mal, Paps, du hast doch auch erst Setzer gelernt, bevor du auf der Kunstakademie nackte Mädchen gemalt hast. Dann warst du bei der Presse, und jetzt machst du in Werbung. Mit einem Setzkasten könntest du doch heute vermutlich gar nichts mehr anfangen.«
»Das verlernt man nie!«
»Na bitte! Und ich lerne eben erst einmal Kellner – übrigens heißt das jetzt Restaurant-Fachmann. Darauf baue ich dann auf. Ob ich beim Service bleibe, weiß ich noch nicht, auf jeden Fall will ich den Betriebsassistenten machen, und dann kann ich immer noch sehen, wo es am besten weitergeht. Später möchte
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