Jede Dunkle Nacht Hat Ein Helles Ende
aussetzen. Beobachten Sie, wie sich Ihre natürliche Umgebung Tag für Tag verändert. Sie können sich dazu beispielsweise draußen auf eine Bank setzen oder an ein geöffnetes Fenster. Schauen sie sich die Umgebung in Ruhe an. Riechen und schmecken Sie die Luft, spüren Sie die wohltuende Wärme der Sonne auf Ihrem Gesicht oder den Wind. Schauen Sie bei Tag und Nacht in die unendliche Weite des Himmels.
Die Trauer: ein Prozess
Kaum etwas kann uns so sehr aus der Bahn werfen wie der Verlust eines geliebten Menschen. Ohne unser Zutun und gegen unseren Willen erfasst uns ein überwältigender Schmerz, sind wir unerträglicher Pein ausgeliefert. Wir sind nahezu hilflos den Gefühlen ausgesetzt, und die können sehr verwirrend und wechselhaft sein.
Die Psychologie hat erforscht, was mit einem Menschen während der Trauerzeit passiert. Die Phasen der Trauer zu kennen ist wichtig, denn das rationale Wissen kann Ihnen helfen, besser damit umzugehen. Auch die subjektiv erlebte bleierne Ewigkeit der Trauerzeit hat ihre Dynamik. Es ist tröstlich zu wissen, dass Sie mit dem, was Sie erleben, nicht allein sind. Denn alle Trauernden sehen sich ähnlichen Zuständen ausgeliefert, und diese wechseln im Allgemeinen nach einer gewissen Gesetzmäßigkeit.
Die Phasen der Trauer
Die gebräuchlichste Beschreibung des Verlaufs der Trauerzeit geht auf die Schweizer Psychologin Verena Kast zurück. Sie hat vier wesentliche Phasen der Trauer herausgearbeitet.
1. Das Nicht-Wahrhaben-Wollen
Der Tod eines Menschen schockiert immer, auch wenn er nicht unerwartet eintritt. Auf einmal ist alles anders. Es herrschen Verzweiflung und Ratlosigkeit. Man hat das Unvermeidliche noch nicht erfasst, leugnet es ab, will und kann es nicht glauben. Der Tod ist überwältigend, und der Schock sitzt tief. Unmittelbare körperliche Reaktionen sind zum Beispiel erhöhter Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, innere und äußere Unruhe. Diese erste Phase kann Stunden, aber auch Wochen andauern.
2. Aufbrechende Emotionen
Die Gefühle bahnen sich ihren Weg. Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Traurigkeit, Angst können hervorbrechen. Fragen kommen auf wie »Warum trifft das gerade mich?«, oder »Womit habe ich das verdient?« Sogar gegen den Verstorbenen werden Vorwürfe gerichtet: »Wie konntest du mir das nur antun?«, »Was soll jetzt aus mir werden?« Oft brechen sich Aggressionen Bahn, und die Wut richtet sich gegen Gott und die Welt sowie auch nach innen: »Ich hätte es verhindern können!«, »Hätte ich nur besser aufgepasst!« Quälende Schuldgefühle können entstehen. Diese Gefühle helfen uns, die Trauer zu verarbeiten. Werden sie unterdrückt, können Schwermut und Depressionen die Folge sein. Die Dauer dieser Phase ist sehr verschieden. Man spricht gemeinhin von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten.
3. Suchen und Sich-Trennen
Auf jeden Verlust reagieren wir reflexartig mit Suchen. In der Trauer suchen wir nach dem uns vertrauten Menschen, nach dem verlorenen gemeinsamen Leben, nach seinen Schauplätzen. Selbst bei Unbekannten wird nach den geliebten Gesichtszügen gesucht. Gewohnheiten und Eigenarten des Verstorbenen werden übernommen. Gemeinsame Erlebnisse werden erinnert und als Schatz bewahrt. Man führt innere Zwiesprache und fühlt sehr stark die unsichtbare Gegenwart des Anderen. Das ist auf zwiespältige Weise unendlich schmerzhaft und zugleich irgendwie schön. Im Verlauf dieses Suchens, Findens und Sich-Trennens kommt der Moment, in dem man die Entscheidung trifft, entweder wieder Ja zum Leben zu sagen oder in der Trauer zu verharren. Diese schwierige Phase, in der auch Selbstmordgedanken aufkommen können, kann Wochen, Monate oder gar Jahre dauern.
4. Neuer Selbst- und Weltbezug
Nachdem man all seinen Schmerz herausgeschrien hat, Anklagen und Vorwürfe machen durfte, kehren langsam Ruhe und Frieden in die Seele zurück. Der Verstorbene hat dort seinen Platz gefunden. Man hat erkannt, dass das Leben weitergeht und dass man seiner Verantwortung dem eigenen Leben gegenüber genügen muss. Nun kommt die Zeit, in der wir zaghaft neue Pläne schmieden. Die Trauer hat Spuren hinterlassen. Die Einstellung zum Leben hat sich meist grundlegend geändert. Der Tote bleibt ein Teil unseres Lebens und verweilt lebendig in unseren Erinnerungen und im Gedenken.
Die Stufen der Trauer nach Verena Kast sind nur als Modell zu verstehen. Es gibt natürlich keine scharfe Trennung zwischen den Phasen, sondern fließende Übergänge, und die
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