Jenny und der neue Vater
Situation zu entschärfen.
„Na, dann sollten wir vielleicht versuchen, das noch ein bisschen zu steigern“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich wüsste da noch ein paar Museen, die wir besuchen können. Und dann wäre da auch noch...“
„Halt, langsam“, unterbrach Kirsten. „Wir wollen nicht gleich übertreiben. Björn, Jenny hat recht, es war ein wunderschöner Tag, und wir sind dir sehr dankbar. Aber wir möchten dich nicht ausnutzen. Ich...“
Spontan ergriff er ihre Hände und küsste sanft die Fingerspitzen. „Du und Jenny, ihr habt mir im Gegenteil schon soviel gegeben, Kirsten. Von ausnutzen kann nun wirklich keine Rede sein. Ich bin es, der euch zu danken hat. Und wenn du es immer noch nicht gespürt haben solltest – ich empfinde sehr viel für dich und Jenny. Am liebsten würde ich jede freie Minute mit euch verbringen. Und ich bin dem Zufall oder dem Schicksal, oder was auch immer dafür verantwortlich ist, unendlich dankbar, dass ihr meinen Weg gekreuzt habt.“
Kirsten wurde rot, aber sie entzog ihm ihre Hände nicht. Spannung baute sich zwischen den beiden auf, ihre Augen hingen aneinander wie festgeschweißt, und unwillkürlich öffneten sich die Lippen, als Jenny, die ausnahmsweise nicht gleich verstand, dazwischenplatzte.
„Meine Güte, was könnt ihr Erwachsenen albern sein. Warum redet ihr nicht vernünftig miteinander?“
Die Spannung brach sich in einem lauten Lachen der beiden Menschen Bahn, und Jenny wurde von zwei Seiten herzlich umarmt. Doch über dem Kopf des Mädchens trafen sich die Blicke von Kirsten und Björn, und sie verstanden sich ohne Worte.
„Da wäre noch etwas“, sagte Björn jetzt wieder sachlich, aber seine Augen funkelten noch immer vergnügt.
„Ja?“
„Ich hätte da eine Wohnung anzubieten.“
„Wirklich? Wo denn? Und wieviel soll sie kosten? Weißt du das schon? Zu teuer darf sie nicht sein, denn...“
Er legte Kirsten sanft einen Finger auf die Lippen, unterbrach damit ihren Wortschwall und grinste. „Das Haus gehört mir, da zieht gerade eine Familie aus, weil die Wohnung zu klein für sie wird, denn sie erwarten noch Nachwuchs. Und ich denke, wir sollten uns über die Miete wohl einig werden.“
„Ob das so richtig ist? Ich möchte nicht zu sehr in deiner Dankbarkeit stehen“, zweifelte Kirsten.
„Du willst doch weg von deiner Mutter. Und Jenny braucht auch wieder ein eigenes Reich.“
„Wir schauen uns das erst einmal an“, entschied Kirsten, doch an den leuchtenden Augen ihrer Tochter sah sie, dass die Entscheidung darüber schon längst gefallen war.
*
Kirsten musste nicht lange überlegen, die Wohnung entsprach genau ihren Wünschen, es machte ihr nur der Preis einige Sorgen, denn noch hatte sich Björn nicht dazu geäußert. Da er mittlerweile die Frau schätzen gelernt hatte und, wie er sich eingestand, mehr für sie empfand als nur Freundschaft, wollte er sie nicht beleidigen, indem er ihr die Wohnung kostenlos überließ. Das hätte sie auch nicht angenommen.
Da sie aus der gemeinsamen Wohnung mit Alexander so gut wie nichts mitgenommen hatte, musste sie jetzt auch einige Möbel neu besorgen, wobei ihr Björn ebenfalls behilflich war. Und nach zwei Wochen konnten Kirsten und Jenny endlich einziehen. Es fehlte zwar noch einiges, doch das würde im Laufe der Zeit schon noch dazu kommen.
Zur Einweihung kam Björn mit zwei Körben und lächelte geheimnisvoll. „Brot und Salz“, sagte er, einer alten Tradition folgend und gab Kirsten den kleinen Korb. Jenny bekam das größere Exemplar. „Pass gut auf, nicht werfen“, mahnte er.
Kirsten schaute ihn fragend an, doch Jenny öffnete schnell das Tuch, mit dem der Inhalt verdeckt war, dann brach sie in Begeisterung aus.
„Ein Hund, Mama, sieh doch nur, ein Hund! Und der soll wirklich mir gehören?“ Das Leuchten in ihren Augen dankte Björn mehr, als jedes Wort es getan hätte. „Hat er schon einen Namen?“, fragte Jenny.
Björn grinste. „Ja, eigentlich schon. Er ist ein reinrassiger Münsterländer und heißt Reichlin von der Augustenmühle. Aber das ist doch wohl kein passender Name für einen Hund. Da hast du doch bestimmt eine bessere Idee, oder?“
Jenny überlegte kurz, dann nickte sie begeistert. „Ja, klar doch: Othello!“
Kirsten schaute irritiert. „Othello?“
„Ja, das habe ich gelesen, und ich finde den Namen schön. Das war doch ein Mohr. Und Othello ist doch auch mehr schwarz als weiß.“
„Na ja, wenn du meinst.“ Kirsten zweifelte noch
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