Jenny und der neue Vater
verzeihen. Ich liebe Kirsten noch immer, aber ihre Liebe habe ich wohl selbst zerstört. Das muss ich akzeptieren, auch wenn es schwer fällt. Und dann ist es vielleicht besser, dass sie an einen Mann wie dich gerät, du machst auf jeden Fall einen durch und durch soliden Eindruck.“
„Ich glaube, du hast an Jenny noch viel mehr gut zu machen“, gab Björn zu bedenken.
„Das will ich. Aber ich fürchte, es wird lange dauern.“
Von irgendwoher war ein bedrohliches Knacken zu hören, und entsetzt blickten die Männer nach oben, wo sich ein weiterer Träger aus seiner Verankerung löste.
*
Jenny kam aus dem Haus, vor dem Gesicht die Maske, und in den Armen der reglose Hund. Kirsten spähte in den Rauch hinein, sah die beiden Männer jedoch nicht.
„Wo sind Björn und Alex?“
Jenny schaute sich verwirrt um. „Gerade waren sie noch da.“
Jetzt kamen aber auch schon einige der Feuerwehrleute und berichteten von dem Einsturz. „Durch das Treppenhaus kommen wir nicht durch. Wir müssen den Leiterwagen direkt ans Haus fahren und durch den Flur versuchen die beiden zu befreien.“
Jenny legte ihren Hund auf den Rasen und blickte den Notarzt flehend an. „So tun Sie doch etwas! Othello darf nicht sterben!“
Ein wenig ratlos schaute der Arzt auf den Hund, doch dann legte er auch ihm eine Maske über die Schnauze und horchte ihn mit dem Stethoskop ab. Er konnte dem Blick des Mädchens nicht widerstehen. Und dann stellte er fest, dass die Herztöne des Tieres relativ kräftig waren. Augenscheinlich hatte der Hund nur zuviel Rauch eingeatmet. Der Arzt drehte den Hahn der Sauerstoffmaske auf, dann alarmierte er einen Tierarzt.
„Ich glaube, dein Hund kommt durch“, sagte er dann. „Aber trotzdem war es dumm, was du getan hast. Du hast dadurch die Männer in Gefahr gebracht.“
„Aber ich konnte doch Othello nicht einfach verbrennen lassen.“ Diese kindliche Logik war einfach nicht zu widerlegen.
Unterdessen hatten die Feuerwehrleute den Leiterwagen an das Haus manövriert, die Leiter mit einem Mann in der Gondel ausgefahren, und der Mann setzte einen Saugnapf und einen Diamantschneider ein, um das Fenster erst einmal zu öffnen, damit er Kontakt zu Alexander und Björn aufnehmen konnte. Schließlich wollte man feststellen, ob die Männer wohlauf waren.
Gerade als der Feuerwehrmann den Kopf durch die Öffnung steckte, um zu rufen, fiel von oben ein weiterer Stahlträger herab. Ein Aufschrei ging durch die Zuschauer, die die Rettung gespannt verfolgten und zumindest das Poltern des schweren Gegenstandes gehört hatten.
Auch Kirsten und Jenny schauten gebannt zum Haus hinüber.
*
Die beiden Männer hatten mehr Glück, als sie selbst zu glauben vermochten. Mit einer gehörigen Ladung Schutt, Asche und Rauch kam der Träger herunter, blieb dann jedoch irgendwo über ihren Köpfen stecken. Instinktiv hatten sich die beiden Männer die Hände gereicht und das drohende Ende erwartet, doch es geschah nichts weiter, als dass sie vom Schutt berieselt wurden. Ihre Gesichter waren schwarz und weiß gepudert, die Augen und Münder, die sie jetzt öffneten, wirkten unwirklich – aber als sie feststellten, dass sie noch lebten, bahnte sich ein Lachen einen Weg, obwohl es an der Situation eigentlich nichts zu lachen gab.
Noch steckten sie fest, und noch war die Hilfe nicht bis zu ihnen vorgedrungen. Doch ein leise schabendes Geräusch an dem Flurfenster zeigte an, dass die Befreiung nicht mehr fern war. Und doch dauerte es noch rund fünfzehn Minuten, von denen jede einzelne dem beiden eingeschlossenen Männern wie eine Ewigkeit vorkam, bis sie endlich über die Gondel aus ihrer misslichen Lage befreit und vor dem Haus auf festen Bodens abgesetzt werden konnten.
Björn und Alexander hatten beide weichen Knie. Die Anspannung hatte seltsame Falten in ihre wie geschminkt wirkenden Gesichter gezeichnet, und damit dem dicken Belag aus Ruß und Schmutz ein wirres Muster eingeprägt.
Aber das war Kirsten ganz egal. Sie riss Björn in die Arme, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Und auch Jenny schmiegte sich an die beiden Erwachsenen. Alexander wurde nun endgültig klar, dass er diese Einheit niemals würde stören können. Mit einem verlegenen Lächeln stand er dabei.
Aber schließlich löste sich Kirsten von Björn und drückte ihrem Noch-Ehemann einen Kuss auf die Wange, und er sah, dass in ihren Augen Tränen schimmerten.
„Ich habe noch nie vorher etwas so dummes und gleichzeitig so mutiges
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