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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Nacht verbracht, eine Nacht voller Leidenschaft, Zärtlichkeit und wichtigen Gesprächen. War er in Lola verliebt, fragte er sich. Oder besser gefragt: wie sehr? Die Antwort hatte er zügig parat. Sie lautete: Lola war für ihn zu einer Obsession geworden, und das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
    Lola Herrenhaus und er hatten sich sehr unspektakulär in der Münchener Stadtbibliothek im Gasteig kennengelernt. Sie war beim Aufstehen mit der Stirn gegen einen Lampenschirm gestoßen. Er ergriff die Chance und stillte die Blutung. In jener Zeit arbeitete sie für die Süddeutsche Zeitung.
    »Was mein Berufsziel ist?«, hatte sie einmal auf seine Frage hin gesagt. »Ich möchte eine eigene Personality-Show im Fernsehen haben. Ich mag es einfach, mit fremden Menschen umzugehen und mehr über sie zu erfahren.« Sie hatte sogar schon einen Namen für ihre Show: »Herrenhaus«.
    »Wie unsere Beziehung ist?«, hatte sie ihn in der vergangenen Nacht gefragt. Und gleich die Antwort gegeben. »Ein Glas, das zerbricht, wenn man es zu unsicher oder zu fest anfasst.«
    Ja. Sie war eine intelligente Frau, seine Lola. Ottakring war ganz ergriffen. Doch was sollte er mit dieser Bemerkung anfangen?
    Ein breites Lächeln schmückte sein ansonsten streng wirkendes Gesicht, als er hinter seinem Schreibtisch zum Hörer griff. Bevor er jedoch Lolas Nummer beim Rundfunk wählte, starrte er auf seine Füße. Sie lagen auf der herausgezogenen untersten Schublade und erwiderten vorwurfsvoll seinen Blick. Es war eine lange gepflegte Unart von ihm, das mit den Schuhen und den Füßen und der Schublade. Andere kratzten sich am Hinterkopf oder bohrten in der Nase, wenn sie unsicher waren und nachdachten. Joe Ottakring starrte auf seine Füße.
    Mit einem Schlag wurde die Tür zu seinem Büro sperrangelweit aufgerissen und krachte gegen die Wand. Agnes hüpfte wie ein Gummiball herein.
    Seelenruhig holte Ottakring die Dienstwaffe aus dem Holster, entsicherte sie und hielt die Mündung auf Agnes. »Wenn du noch mal so hereinstürmst wie ein wilder Elefant, erschieß ich dich. Das meine ich ernst. Ich werde dich erschießen.« Er drückte ein Auge zu, zielte auf die kleine Frau und machte »Peng«.
    Agnes gehörte zur Polizeidirektion wie die Bundesfahne im Zimmer des Chefs oder wie der Schießstand im Keller. Keiner wusste so recht, was ihre eigentliche Aufgabe war. Sie half in der Kaffeeküche mit aus, ölte irgendwo eine quietschende Tür. Sie spielte Chauffeur, holte Semmeln, erinnerte sich an die kleinste Kleinigkeit beim letzten Bankraub und war sich auch nicht zu schade, einen Selbstmörder vom Strick zu schneiden oder das Blut einer Ermordeten zusammenzuwischen.
    Agnes hatte ein rundes Gesicht, ihr voller Mund war nicht ohne Wohlwollen. Trotzdem. Sie trug Halbgläser, und da sie alles und jeden durch sie hindurch zu beäugen pflegte, bog sie immerzu den Kopf nach hinten, vor allem, wenn sie in die Ferne sah. Auf Ottakrings Drohung hin, sie erschießen zu wollen, blitzte ihr Gebiss anerkennend, und der breite Ring am Mittelfinger der Linken funkelte im Licht der einfallenden Sonne.
    Sie machte zwei Schritte nach vorn, sodass ihr Scheitel die Schreibtischplatte um einen ganzen Kopf überragte. Agnes war keine hundertfünfzig Zentimeter hoch. Etwas Koboldhaftes steckte in ihr. Erst als sie die grüne Umlaufmappe hervorholte, die hinter ihrem Rücken verborgen gewesen war, bemerkte Ottakring, dass sie überhaupt etwas bei sich trug.
    »Der Bericht«, sagte sie. »Der Bericht von dem Überfall auf den Juwelier.« Damit legte sie die Mappe auf den Tisch.
    »Danke«, sagte er abwesend. Er wollte endlich Lola anrufen.
    Sie war schon am Gehen, als sie sich noch einmal umdrehte. »Herr Ottakring«, sagte sie und spitzte die Lippen. »Darf ich Sie etwas fragen?«
    Nein, durfte sie nicht. Dafür war er viel zu wepsig. »Ja schon. Aber nicht jetzt.«
    Sie nickte, als hätte sie die Antwort schon erwartet, und wandte sich zur Tür. In ihren Augen lag eine unendliche Traurigkeit, wie bei einem bitter enttäuschten Hund. Einen Moment lang glaubte er schon, dass sie sich noch einmal umdrehen würde, aber sie sagte nichts. Er stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Er wollte ihr wenigstens die Tür öffnen.
    »Was willst du mich denn fragen? Aber mach’s kurz.«
    Sie überlegte. Dabei wirkte sie noch kleiner und unscheinbarer. »Haben Sie Zeit, jemanden zu empfangen?«
    Er machte ein ungläubiges Gesicht. »Du merkst doch, dass ich gerade

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