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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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lag sie am Ende selbst darin.
    Langsam, mit den Händen in der Tasche, ging er zurück zum Lkw. Er war sicher, dass er unbeobachtet geblieben war.
    Giorgio, der Hund, erwartete ihn bellend. Er hatte Mühe, ihn zu bändigen.
    Zwei Stunden später war er daheim in Rosenheim. Er hielt mit dem Lkw für kurze Zeit in einer Parkbucht nahe seinem Haus. Gollek sah an sich herunter. Er hatte sich sorgfältig abgestaubt, die Hose gewechselt und die Wunde verbunden. Helen durfte nichts merken. Er nahm den Hund auf den Arm, wehrte sich gegen seine aggressiven Bisse, konnte jedoch das Kläffen nicht verhindern. Dann leinte er ihn an und marschierte die paar Meter zu seinem Haus am Ende der Straße. Den Hund musste er am Hals hinter sich herziehen.
    Helen öffnete auf sein Klingeln. »Karl schläft schon«, sagte sie nach einer flüchtigen Umarmung.
    »Das ist gut«, sagte er. »Ich hab nämlich ein tolles Ostergeschenk für ihn. Schau her. Der ist mir unterwegs zugelaufen.«

München, Mittwoch, 15.   April 1998

    Kaum hatte Joe Ottakring den Zeitungsausschnitt in die Hand genommen, überfiel ihn wieder dieser stechende Schmerz im Rücken. Er knickte zur Seite ab, hielt sich das Kreuz und knirschte mit den Zähnen.
    Die Dämmerung war hereingebrochen, er war allein in der Direktion auf seiner Etage und in seinem Büro. Alle Mitarbeiter waren zu ihren Einsätzen und Ermittlungsaufgaben ausgeflogen. Nur zwei hatten regulären Feierabend gemacht. Von seinem Bürofenster aus konnte er die Türme der Frauenkirche erkennen. Er mochte es, und es beruhigte ihn, wenn große Vögel majestätisch um die beiden Zwiebelkuppeln kreisten und die Turmuhr zu jeder Viertelstunde schlug.
    Ottakring schaltete ein Leselicht ein und überflog im Stehen noch einmal den Artikel, den er vom Pressesprecher erhalten hatte. Der hielt es zwar für Schwachsinn, dass der Chef der Münchener Mordkommission sich für Fälle interessierte, die sich außerhalb seines Zuständigkeitsgebiets ereigneten. Doch er respektierte die Marotte und bediente ihn aus lauter Freundschaft.
     

    Nachdenklich legte der Kriminalrat die Zeitungsmeldung zurück auf den Schreibtisch. Der Mord, auch wenn er noch so schrecklich war, haute ihn nicht gerade um. So etwas passierte jeden Tag. Doch nicht gerade im friedlichen Südtirol, wie er fand. Wer tat so etwas? Ein Bergbauer? Ein Landarzt? Ein Tourist? Das konnte er sich nicht recht vorstellen. Und es las sich auch nicht gerade wie eine Eifersuchtstat.
    Ein Mädchen aus Innsbruck wurde im Pustertal ermordet im Bach gefunden. Die beiden Angler schieden seiner Meinung nach als Täter aus. Er war versucht, seine Tiroler Kollegen anzurufen und zu fragen, wie weit sie mit ihren Ermittlungen seien. Nicht, dass er nichts zu tun gehabt hätte. Der Raubmord an dem Münchener Juwelier und seiner Verkäuferin stand kurz vor der Aufklärung, und er hing als Ermittlungschef mittendrin. Außerdem hatte er sich außerplanmäßig in eine Polizeiaktion gegen Menschenhandel und eine andere gegen Kreditkartenbetrüger vom Balkan einspannen lassen. »Der Alte hat doch eine Macke«, flüsterten sich selbst die eigenen Mitarbeiter zu, wenn es um seine Eigenart ging, Meldungen von ausländischen Kapitalverbrechen zu sammeln.
    Irgendwann würde es sich bezahlt machen, davon war er überzeugt. Er handelte nicht aus Neugier, sondern betrachtete seine kleine Sammlung als Vorarbeit für einen möglichen eigenen Fall. Laufend machte er sich Notizen. Jedes Mal, wenn er von einem neuen Kapitalverbrechen erfuhr, das sich in Mitteleuropa abgespielt hatte, erfasste ihn eine gewisse Unruhe. Als ob eine Uhr zu ticken begonnen hätte. Als ob er von irgendwoher lautlose Alarmsignale gesendet bekäme.
    »Das arme Kind«, flüsterte er lautlos. Und noch etwas anderes kam ihm bei der Beschreibung in den Sinn. »Die bedauernswerten Eltern.«
    Ottakring fühlte sich müde. Manchmal hatte er das Gefühl, den falschen Beruf ergriffen zu haben. Nach einer Weile heftete er die Zeitungsnotiz zu den wenigen anderen, die er in einem Schnellhefter sammelte.
    »Südtirol. Innsbruck«, murmelte er befremdet.

München, Montag, 20.   April 1998
    Der Anruf erreichte den Kriminalrat um fünf nach neun in der Früh.
    »Polizeioberleutnant Spurny in Innsbruck. Grüß Gott, Herr Kollege. Sie haben nachgefragt, was aus dem Mordfall Amelie Bartz geworden sei.« Der Oberleutnant hustete verhalten.
    Joe Ottakring war durchaus bewusst, was jetzt folgen würde. Immer kommt erst ein verhaltenes

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