Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
Zeiten.
„ Waldoran. Wir wissen nun, wer der Heerführer der gegnerischen Truppen ist.“ keuchte ein unscheinbarer Zwerg. „Es ist Latenor.“
„ Unmöglich.“ konstatierte Waldoran emotionslos.
Der Zwerg, der ihm die Botschaft überreichte, kam ihm nicht bekannt vor. Wahrscheinlich ein niederer Diener der Festung.
„ Unsere Späher in Nahran Thur haben ihn bei seinem Heer gesehen. Er hat eine Rede gehalten. Vor allen Kriegern, siebzigtausend. Ich habe es zuerst Torabur berichtet. Er sagte mir, ich solle alle Mitglieder des Kriegsrates darüber in Kenntnis setzen. Wenn die Sonne am morgigen Tag am höchsten steht, werden alle im Königssaal erwartet.“
„ Ich werde erscheinen.“
Die Fassade von kühler Intelligenz und Stärke aufrechterhaltend, nickte Waldoran dem Zwerg dankbar zu. Dieser verbeugte sich und verschwand.
Latenor. Das erklärte sein plötzliches Verschwinden. Allerdings konnte sich der Fürst keinen Reim aus dieser Botschaft machen. Dass Latenor sie verraten hatte, schien unmöglich. Der Elf war ein berühmter Fechter. Er war bekannt, ein Offizier, genoss Ansehen und Respekt.
Bedächtig strich Waldoran zu seinem Schlafgemach. Sie waren einmal Freunde gewesen. Gute Freunde. Doch auf einmal hatte er sich in Luft aufgelöst. Verschwand, von einem Tag auf den anderen. Waldoran und eine Vielzahl anderer Elfen hatten vergeblich nach ihm gesucht. Anfangs hatte Waldoran noch angenommen, dass sein Freund wiederkehren würde. Doch er hatte sein Antlitz nie wieder gezeigt. Auch Waldorans Hoffnungen waren nun erloschen, wie die Kerze an welcher er mit erhobenem Haupt vorbeischritt.
Der Fürst stieß die massive Holztür zu seiner Kammer auf und trat ein. Niedergeschlagen ließ er sich auf sein schmales aber gemütliches Bettchen im Stile Antárs nieder. Ein geschmackvoll verziertes Birkenholzkästchen stand auf dem sonst beinahe leeren Tisch. Lediglich eine Karaffe mit klarem Wasser, ein Glas und ein Stück Pergament mit Feder beschwerten ihn zusätzlich. Der Tisch stand vor dem einzigen Fenster des Raumes.
Waldoran hatte einen Brief an Saliana begonnen, doch sein Geist sträubte sich davor, ihn zu vollenden. Die erschütternde Nachricht über seinen einstigen Freund lenkte ihn zu stark ab.
Eigentlich hasste er die Zwerge nicht. Er verstand nicht, weshalb er in diesem Augenblick an seine Gastgeber dachte, doch irgendetwas lenkte seine Gedanken auf sie. Die Zwerge hatten ihm sogar eigens ein Waldbett aus Antár in seine Kammer transportiert. Ein gerissener Kniff Toraburs, welchen Waldoran zu schätzen wusste.
Er legte seinen herbstfarbenen Jagdbogen und seine sonstigen Waffen ab, entledigte sich seiner Kleidung und begab sich in sein komfortables Bett. Morgen würde er Saliana einen Brief schreiben, das schwor sich der Elf.
Er stellte sich vor, wie sie gemeinsam auf einer Baumkrone in ihrer Heimat saßen. Ihren Kopf an seine Schulter gelehnt, dem fernen Abendrot zusahen, wie es zögernd verschwand. Bis die etwa kirschkerngroße Scheibe pulsierender, rot-orangener Farbe hinter dem Rand Santúrs verrauchte. Mit einem Lächeln auf den Lippen und diesen Gedanken vor seinem inneren Auge, schlief er wenig später ein.
IV
Gellend sang der Stahl der Schwerter sein klagendes Lied, als Dante zu einem Hieb ansetzte, der mit Leichtigkeit pariert wurde.
Verflucht!
Gegen seinen Lehrmeister gelang es ihm nie, einen Treffer zu landen, obwohl er zweifelsohne der talentierteste Schüler war. Doch kein Mensch konnte es mit einem Elfen aufnehmen.
Seit dem letzten Trollkrieg vor beinahe zweihundert Zyklen, hatten Elfen einige ihrer Krieger zu den Städten der Menschen entsandt, um sie in der Kunst des Krieges zu unterrichten. Dante empfand das als erniedrigend, ebenso wie seine Eltern. Vor allem sein Vater hatte die neuen Gesetze und Regelungen verabscheut.
Wir können uns nicht einmal mehr selber auf den Krieg vorbereiten. Wie sollen wir jemals ein eigenständiges Volk werden?
Die Elfen meinten, sie wären Götter. Mit ihrer großtuerischen Art ließen sie es einen jedenfalls vermuten.
Mit den Zwergen hingegen kamen die Menschen hervorragend zurecht. Sie tranken wie Fässer, machten obszöne Späße und versprühten stets eine phantastische Stimmung. Außerdem ließen sie bisweilen zu, dass man sie erwischte. Die Elfen wichen jedem Hieb elegant aus. Nie verzog Solúnis sein Gesicht. Dante fragte sich, ob der hochgewachsene, schlanke Elf unter den Seinen ein ebenso
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