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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ist. Haben Sie verstanden? Ich habe einen sechsten 6
    Sinn. Also versuchen Sie keine Mätzchen, Kumpel, weil ich und die Jungs darauf ungemütlich reagieren. Und Sie wollen doch zum Team gehören, oder nicht?« Er legte Jaffe eine schwere, gespreizte Hand auf die Schulter. »Zu gleichen Teilen, verstanden?«
    »Verstanden«, sagte Jaffe.
    »Gut«, antwortete Homer. »Also...« Er breitete die Arme aus und deutete auf die gestapelten Säcke. »Gehört alles Ihnen.« Er schnupperte, grinste und ging.
    Zum Team gehören, dachte Jaffe, nachdem die Tür ins
    Schloß gefallen war, das würde er niemals. Nicht, daß er Homer das gesagt haben würde. Er würde sich herablassend von dem Mann behandeln lassen; den willigen Sklaven spielen.
    Aber in seinem Herzen? In seinem Herzen hatte er andere Pläne, andere Ambitionen. Das Problem war, er war heute noch so weit davon entfernt, diese Ambitionen in die Tat
    umzusetzen, wie er es mit zwanzig gewesen war. Heute war er siebenunddreißig und ging auf die Achtunddreißig zu. Er gehörte nicht zu den Männern, die Frauen mehr als einmal ansehen. Keine Persönlichkeit, die die Leute besonders charismatisch fanden. Sein Haar wurde schütter wie das seines Vaters. Wahrscheinlich mit vierzig kahl. Kahl, ohne Frau und nie mehr als Kleingeld in der Tasche, weil er eine Stelle nie länger als ein Jahr behalten hatte, höchstens einmal achtzehn Monate, und daher hatte er es im Dienstgrad auch nie weiter als bis zum Gefreiten gebracht.
    Er versuchte, nicht allzu angestrengt darüber nachzudenken; denn wenn er darüber nachdachte, brannte er immer darauf, Schaden zuzufügen, und meistens sich selbst. Es wäre so einfach. Eine Pistole im Mund, die ihn im Rachen kitzelte. Aus und vorbei. Kein Abschiedsbrief. Keine Erklärung. Was hätte er auch schon schreiben sollen? Ich habe mich selbst umgebracht, weil ich nicht König der Welt sein konnte?
    Lächerlich.

    7
    Aber... das wollte er sein. Er hatte nie gewußt, wie er es bewerkstelligen sollte, aber das war eine Ambition, die von Anfang an in ihm genagt hatte. Auch andere Männer kamen vom Nichts an die Spitze, oder nicht? Erlöser, Präsidenten, Filmstars. Sie zogen sich aus dem Dreck empor wie damals die Fische, als sie beschlossen hatten, an Land zu gehen. Sie hatten sich Beine wachsen lassen, Luft geatmet, waren mehr
    geworden, als sie gewesen waren. Wenn verdammte Fische das konnten, warum dann er nicht? Es mußte bald geschehen.
    Bevor er vierzig wurde. Bevor er kahl wurde. Bevor er tot und begraben war und niemand sich an ihn erinnerte, es sei denn als das namenlose Arschloch, das im Winter 1969 drei Wochen in einem Zimmer mit Irrläufern der Post verbracht und verwaiste Post auf der Suche nach Dollarscheinen geöffnet hatte. Schöner Nachruf.
    Er setzte sich und betrachtete den Berg, der sich vor ihm auftürmte.
    »Scheiß drauf«, sagte er und meinte Homer. Meinte die Masse dummen Zeugs, die sich vor ihm stapelte. Aber in erster Linie meinte er sich selbst.

    Anfangs war es trostlos. Die Hölle, Tag für Tag die Säcke durchzuwühlen.
    Die Stapel schienen nicht kleiner zu werden. Tatsächlich wurden sie sogar mehrmals von einem höhnischen Homer
    aufgeschichtet, der ein Heer Untergebener mit neuen
    Postsäcken hereinführte, damit sie den Vorrat auffüllten.
    Zuerst trennte Jaffe die interessanten Umschläge - vollgestopft, klirrend, parfümiert - von den langweiligen; dann private Korrespondenz von offizieller und Gekritzel von Getipptem. Nachdem er diese Entscheidungen getroffen hatte, fing er damit an, die Umschläge aufzumachen, in der ersten Woche mit den Händen, bis die Finger schwielig wurden, und danach mit einem kurzen Messer, das er sich eigens zu diesem 8
    Zweck gekauft hatte. Er angelte den Inhalt heraus wie ein Perlenfischer auf der Suche nach Perlen, fand meistens nichts, nur manchmal, wie Homer gesagt hatte, Geld oder einen Scheck, was er pflichtschuldigst seinem Boß ablieferte.
    »Sie sind gut«, sagte Homer nach der zweiten Woche. »Sie sind wirklich gut. Vielleicht sollte ich Sie ständig darauf anset-zen.«
    Randolph wollte sagen, Scheiß drauf, aber das hatte er schon zu oft zu Vorgesetzten gesagt, die ihn in der nächsten Minute gefeuert hatten, und er konnte es sich nicht leisten, diesen Job zu verlieren: Die Miete war fällig, und es kostete ein verdammtes Vermögen, seine Ein-Zimmer-Wohnung zu
    heizen, solange Schnee fiel. Außerdem geschah etwas mit ihm, während er einsame Stunden im Zimmer der

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