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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Sorge.
    Charly wandte sich ihr zu.
    „Das würde bedeuten, dass wir vor dem Abend nichts von ihm hören. Ich kann nicht glauben, dass Arpad uns so lange warten ließe. Er würde einen Weg finden, uns zu informieren.“
    Sophie versuchte, etwas Tröstliches zu sagen, doch Charly hatte recht. Zu denen, die er liebte, war Arpad nie grausam, und er wusste, wie grausam es war, sie so lange auf Nachricht warten zu lassen.
    Sophie berührte ihren Hals, wo er sie gebissen hatte. Keine Spur war davon zu sehen, und doch hatte die Sache all die alten Gefühle wieder hochkommen lassen, die sie ganz bewusst in den hintersten Winkel ihrer Seele verbannt hatte. Er hatte getrunken – und er hatte vergleichsweise wenig anderes dabei getan. Doch bei einer tugendsamen Witwe von über fünfzig hatte dieser Anflug von Erotik eine Flamme angefacht. Das hatte sie vorher gewusst. Abstand machte vieles leichter. Die Mischung aus neu erwachten Gefühlen, Schuld und Sorge war unakzeptabel, und es war schwer, nach außen absolute Gefasstheit darzustellen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, im Zimmer auf- und abgelaufen und hätte mit ein paar zerbrechlichen Gegenständen um sich geworfen. Doch das hätte ihre junge Freundin erschreckt, und es würde sie nicht vergessen machen, dass sie ihren Sohn verloren hatte und nun auch noch dessen Vater vermisst wurde.
    „Wir hätten ihn nicht hinschicken sollen“, klagte Charly schuldbewusst. „Diese Frauen – wir wissen doch gar nicht, was sie sind und was sie können.“
    „Wenn sie Sí sind, dann wird er mit ihnen umgehen können.“
    „Er ist nicht unverletzlich, und unsterblich ist er auch nicht.“
    „Er ist aber willensstark und schlau, alt und gerissen und nicht leicht zu beschädigen.“
    Charly nickte.
    „Ich weiß. Ich war zweimal dabei, als man ihn ins Herz schoss, und er hat sich zweimal davon erholt. Aber dass er alt ist, kann ich mir immer gar nicht vorstellen.“
    „Gleichwohl ist er es. Alt und sehr kenntnisreich.“
    „Er benimmt sich nicht so.“
    „Ich weiß.“
    Sie schwiegen eine Weile.
    „Asko ist nun schon fast einen ganzen Tag verschwunden“, fuhr Charly fort. „Ich weiß, er hat mich nicht freiwillig verlassen. Ich kann mir aber einfach nicht vorstellen …“
    Sie hielt inne, unfähig, ihre Gefühle in Worte zu kleiden.
    „Warum nur“, fuhr sie fort. „Warum nur sollte jemand Asko etwas antun wollen?“
    „Wir wissen doch gar nicht, ob ihm etwas fehlt.“
    „Warum sollte ihn jemand entführen? Wir sind mindestens eine Tagesreise mit der Eisenbahn vom nächsten Meer entfernt. Man kann ihn doch nicht schanghait haben!“
    „Er wäre keine große Stütze beim Erklettern der Masten.“
    Charly setzte sich bedrückt.
    „Ich rede dummes Zeug.“
    „Wir sind beide entkräftet. Wenn die Sonne richtig scheint, wird Arpad uns wohl nicht mehr aufsuchen. Wir warten auf den Abend, und bis dahin sollte wir dann etwas geschlafen haben. Wir brauchen unseren ganzen Verstand.“
    „Du hast recht“, seufzte Charly. „Obgleich ich gerne sagte, dass ich niemals schlafen könnte, da doch Asko in Gefahr ist und Arpad sich verspätet, gebe ich gerne zu, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann.“
    Sophie legte ihr Stickzeug ab und stand auf.
    „Lass uns ein oder zwei Stunden schlafen. Ich fürchte, ich bin zu alt, um ungestraft die Nacht durchzumachen.“ Sie massierte sich die Schläfen.
    Charly legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    „Du hättest mir sagen sollen, dass du Kopfschmerzen hast. Was für eine grässliche Gastgeberin ich doch bin. Ich hätte dich schon vor Stunden ins Bett schicken sollen.“
    „Wir schicken uns am besten gegenseitig ins Bett.“
    Die Türglocke schellte, und beide zuckten zusammen.
    „Das wird er sein!“, rief Charly, raffte die Röcke und lief undamenhaft los. Sie wartete nicht auf das Hausmädchen oder auf Joseph, obgleich die Dienerschaft immer früh aufstand und bereits im Haus rumorte. Sie sauste durch den Flur, schloss auf und öffnete.
    Der Mann auf der Schwelle war nicht Asko. Er war auch nicht Arpad. Doch sie kannte ihn. Es war Ian McMullen, den sie zuletzt in jenen schicksalsträchtigen Tagen in Österreich gesehen hatte. Er sah älter aus, gesetzter und weniger zerbrechlich und durchscheinend als damals. Der Mann hielt seinen Hut in den Händen und drehte ihn nervös.
    „Guten Morgen, Frau von Orven“, grüßte er ängstlich. „Es ist mir wirklich außerordentlich peinlich, Sie so früh am Morgen zu stören, aber

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