Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Körper der Frau entlang, kratzte vom Hals bis zur Scham tief in ihre Haut. Ihr Kleid zerriss mit einem Geräusch, als risse ein Seidenhändler einen Stoff entzwei. Lena schrie erneut. Sie hielt nur inne, um schluchzend Luft zu holen. Ihre Stimme hallte durch die Grünanlage und von Hausfront zu Hausfront. Ihre Pupillen waren unter die Lider gerollt. Sie schlug um sich.
Einen Atemzug später war die Spinne fort, völlig verschwunden, hinterließ nichts als ein plötzliches Aufglühen in Thorolfs Wahrnehmung. Er stürzte nach vorn, kniete sich neben die blutende Frau, deren Schreie sich nun mit atemlosem Röcheln vermischten. Er wusste nicht, wie er ihr helfen sollte. Sein Taschentuch reichte nicht aus, um ihre vielen Blutungen zu stillen. Er konnte sehen, dass diese Wunden vielleicht einzeln nicht lebensbedrohlich sein mochten, doch es waren ihrer so viele, und sie war jenseits der Schwelle, an der er noch irgendeine Kooperation von ihr erwarten konnte.
Er sah sich gepeinigt um, erwartete fast, dass die Spinne wieder auftauchen würde, doch die Kreatur blieb verschwunden. Er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Er presste sein Taschentuch auf ihre Wunden, riss sich die Jacke herunter, um sie darin einzuwickeln. Er musste sie irgendwohin bringen, in ein Haus, wo man nach einem Arzt schicken konnte. Das neue Krankenhaus in München lag südlich vom Bahnhof, viel zu weit, um sie dorthin zu schleppen.
„Lena! Hören Sie mir zu! Sie sind in Sicherheit! Hören Sie auf, sich zu wehren!“
Sie schlug um sich und erwischte ihn voll im Gesicht. Der Schlag war sicher nicht gezielt gewesen, doch ihre Panik ließ sie gut treffen, und seine Nase begann zu bluten. Er hielt die Frau fest, versuchte, sie anzuheben.
Er hatte dafür keine Zeit. Er war losgezogen, um Catty zu suchen, nicht, um den Samariter für diese Frau zu spielen. Doch er konnte sie hier nicht gut liegen lassen. Sie brauchte Hilfe.
Er hob ihre Schultern an, wollte sie in seine Jacke wickeln, während er mit der Linken versuchte, sie daran zu hindern, nach ihm zu schlagen. Ihr Blut verschmierte seine Kleidung und sein Gesicht und vermischte sich mit dem aus seiner Nase.
„Nicht wehren. Ich bringe Sie zu einem Arzt. Aber Sie müssen aufhören, gegen mich anzukämpfen.“
Als er sie anheben wollte, sah er den Dolch unter ihr. Eine tödliche Waffe. Der Griff war mit obszönen Relieffiguren verziert, die Klinge war gebogen und sah aus wie eine große Kralle. Er nahm das Messer, starrte es an und versuchte zu begreifen, was ein klauenbewehrtes Höllenmonster mit einem solchen Messer anfangen wollte.
Er begriff es erst, als er die Menschen hörte, die durchs Gebüsch auf ihn zu eilten. Einen Augenblick später standen zwei Gendarmen mit Laternen neben ihm. Ihre Gesichter zeigten hasserfüllten Abscheu. Hinter ihnen kamen zwei Zivilisten durchs Gebüsch, einer davon war sein Kunstprofessor, von Schwind, der andere Lord Edmond, der ihm aus dem Hintergrund ein bizarres Lächeln schenkte.
Lena schrie erneut und wehrte sich gegen ihn. Thorolf wurde mit einem Mal klar, wie das aussah. Eine schreiende blutende Frau im Arm. Eine Waffe in der Hand.
„Das war ich nicht! Das habe ich nicht getan!“, rief Thorolf und ließ den Dolch fallen. Er merkte, dass er völlig blutverschmiert war.
„Herr im Himmel!“, rief von Schwind.
„Gute Güte!“, flüsterte Lord Edmond in gespieltem Entsetzen. „Wie grauenhaft!“
Es gelang Thorolf, dem ersten Hieb auszuweichen, dabei ließ er allerdings die Frau fallen. Der zweite Schlag, den der Polizist mit dem Schwertkorb ausführte, ließ seinen Kopf in tausend Funken und schwarze Sterne zersprühen. Sein Bewusstsein verging, und sein letzter Eindruck waren Lord Edmond und dessen Lächeln.
Kapitel 60
Der Morgen nahte. Charly und Sophie waren nicht zu Bett gewesen, sondern saßen immer noch im Salon und warteten.
„Wozu braucht er nur so lange?“ Charly klang besorgt. Sie war ans Fenster gegangen und sah hinaus in den grauenden Morgen. Arpad würde bald kommen müssen. Es sah aus, als würde dies ein heller, sonniger Tag werden. Helle, sonnige Tage wurden von Vampiren gemeinhin nicht geschätzt.
„Höchstwahrscheinlich ist er irgendwo abgetaucht.“
Sophie saß auf der Couch und hielt immer noch den Stickrahmen fest, wie sie das die ganze letzte Stunde getan hatte. Die Stickerei war um keinen Stich gewachsen. Sophie trug Zuversicht, wie man einen Schleier trug, und nur ein gelegentliches Zucken verriet ihre
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