Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Wesens, das in ihm nichts als ein Nachtmahl sah.
„Ja“, sagte er. „Du musst begreifen, dass ich dir nicht gestatten kann, unschuldige Frauen zu attackieren.“
„Du kannst mir etwas nicht gestatten?“ Die Kreatur warf ihm ihr Gelächter entgegen.
Lenas Lippen regten sich. Er hörte sie ganz leise beten. Ein Ave-Maria nach dem anderen sagte sie auf. Eine Kette ganz plötzlicher Frömmigkeitsbeweise.
Die Spinne verlagerte ihr Gewicht, um besser zupacken zu können. Ihr vorderes Gesicht schwebte dicht über der Betenden. Ihr anderes blickte Thorolf an und schenkte ihm ein grauenhaftes Lächeln.
„Jetzt weißt du nicht mehr weiter, kleiner Farbenkleckser? Da stehst du nun herum und kannst mich doch nicht aufhalten. Warum verschwindest du nicht einfach und überlässt sie mir? Kein Mensch wird je davon erfahren. Geh einfach. Menschen sind darin gut. Du bekommst nur sehr viel Ärger, wenn du mich weiter störst. Du weißt doch, wie das hier enden wird. Du hast es gezeichnet. Wirklich, sehr hellseherisch von dir. Glaube nur nicht, dass dein Vater dir heute helfen wird. Er ist nicht in der Nähe. Vermutlich hat er keine Lust, sich nochmals für dich einzusetzen, sonst wäre er doch schon hier, oder nicht? Aber siehst du ihn irgendwo? Diesmal bist du ganz allein. Der nutzlose junge Recke, unterwegs, die holde, wenngleich auch käufliche Maid vor einem Schicksal zu retten, das schlimmer ist als … der Tod?“
Lena versuchte sich aus dem Griff zu winden und wurde beiläufig fester am Boden fixiert. Blutend und flüsternd lag sie im Gras, doch das Hauptaugenmerk der Spinne galt Thorolf. Er fand das seltsam. Sehr seltsam sogar. Er konnte der klauenbewehrten Kreatur schließlich keine Gefahr sein, und Hilfe von den Menschen in den noblen Häusern zu bekommen würde viel zu lange dauern. Einen Augenblick lang fragte sich Thorolf, warum die Spinne nicht einfach ihr Mordwerk beendete und sich danach auf ihn stürzte. Doch sie tötete weder die Frau in ihren Krallen noch griff sie Thorolf an.
Er blickte sich nach etwas um, das er als Waffe gebrauchen konnte, einen Ast, einen Stock, irgendetwas. Doch dies war eine gepflegte Grünanlage, und irgendwelche Zufallswaffen lagen nicht herum.
„Stimmt, ich weiß nicht weiter. Ich weiß nicht, wie man dich bekämpft. Was hältst du davon, wenn ich mich auf eindrucksvolles Flehen verlege?“ Immerhin konnte man mit dem Vieh reden. Vielleicht konnte er es ja von seiner Absicht abbringen. Das war nicht wahrscheinlich, aber was sonst blieb ihm übrig?
„Du möchtest flehen? Bitte! Nur gib dir ordentlich Mühe und jaule nicht. Ich kann Jaulen nicht leiden. Fang mir außerdem nicht mit Moral an. Moral, das sind nicht mehr als ein paar sich immer wieder ändernde Menschenregeln, die verhindern sollen, dass ihr euch dauernd gegenseitig umbringt. Auf mich treffen sie nicht zu. Ich habe zu viele unterschiedliche Ausführungen davon gesehen, um sie besonders ernst nehmen zu können.“
Thorolf nahm seinen Mut zusammen und trat näher.
„Was willst du von ihr? Ihre Unterwerfung? Ihren Sinn? Ihre Seele? Ihre Lebenserinnerungen?“
„Ihre Lebenserinnerungen sind interessant. Eine weitgereiste Dame, auch wenn sie die Stadt nie verlassen hat. So viel Erfahrung und Vergnügen, und so viel Demütigung und Pein. Wie hast du sie genannt? Lena? Hallo, Lena, süße Sünderin. Gönne mir deine Angst und deine Liebe. Du hast doch so vielen so vieles gegönnt. Also her mit deinen stärksten Gefühlen.“
Lena schrie, und Thorolf meinte zu sehen, wie ihr Seelenatem gemeinsam mit dem Schrei ihre Lippen verließ.
„Lass sie! Sie ist nur eine arme Frau!“
„Mein Junge, du wärst ein so außerordentlich edler Ritter geworden. Rechtschaffen und absurd wie sie alle. Doch als griechischer Gott hast du mir besser gefallen. Du hast den verführerischen Charme deines Vaters, auch wenn du ihm nicht besonders ähnlich siehst. Du hättest nicht vor mir fliehen sollen. Ich hätte dir ein paar Vergnügungen gezeigt, die dieses blutende Stück Fleisch dir nicht bieten kann.“
„Ich pflege nicht mit Spinnen zu kopulieren.“
„Du kopulierst mit allem und jedem. Ganz der Vater. Ich habe ihn beim Gelage beobachtet. Trinken und herumhuren. Immer ganz der überwältigende Mann. Aber ich kann auch eine Frau sein, und wenn ich eine Frau bin, bin ich alles, was eine Frau ausmacht. Genauso kann ich ein Mann sein, und wenn ich ein Mann bin, bin ich alles, was einen Mann ausmacht.“
Ein Kralle schnitt am
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