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Jenseits von Gut und Böse

Jenseits von Gut und Böse

Titel: Jenseits von Gut und Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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Religion zu begründen. Als kritisch-rationaler Philosoph 2 liegt es mir fern, Versprechungen zu machen, die nicht in irgendeiner Form überprüfbar wären. Und so werde ich Ihnen auch ganz bestimmt nicht vorgaukeln, dass Sie bloß diese oder jene »Weisheit« berücksichtigen müssten und schon wären auf einen Schlag sämtliche Probleme der menschlichen Existenz gelöst.
    Die in Aussicht gestellte Erlösung von dem Bösen meint deshalb auch keineswegs die Erlösung von allen Übeln. Selbstverständlich werden wir auch nach dem philosophischen Abschied von Gut und Böse nicht das »Paradies auf Erden« finden. Leid, Schmerz und Tod bleiben unsere ständigen Begleiter. Allerdings können wir sehr wohl lernen, mit diesen Widrigkeiten des Lebens etwas vernünftiger, etwas gelassener, etwas humorvoller umzugehen.
    Paradoxerweise sind es gerade die von vielen als kränkend empfundenen Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften, die uns bei der Bewältigung dieser Aufgabe helfen können. Ich bin überzeugt – nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrung: Wenn wir die Kraft der Wissenschaft nutzen, um den illusionären Ballast über Bord zu werfen, mit dem wir gewöhnlich durch die Stürme und Flauten des Lebens schippern, so verhilft uns dies zu einer alternativen, heiter-gelassenen Lebenseinstellung, zu einer »neuen Leichtigkeit des Seins«.
    Was hierunter zu verstehen ist, werde ich erst im Verlauf des Buches entfalten. So viel sei aber schon verraten: Es handelt sich um eine Lebensauffassung, die so manche negativen Emotionen, die uns als Einzelpersonen belasten und auch das Zusammenleben mit anderen erschweren – etwa Versagensängste, Minderwertigkeitskomplexe, Größenwahn oder Rachsucht –, gar nicht erst aufkommen lässt. Sie meinen, das sei unmöglich? Lassen Sie sich überraschen!
    Allerdings: Bevor wir uns dieser »neuen Leichtigkeit des Seins« zuwenden können, müssen wir zunächst einen Parforceritt durch die Wissenschaften absolvieren und uns unter anderem mit der Hirnforschung, Evolutionsbiologie, Genetik, Soziologie und Psychologie beschäftigen. In der weltanschaulichen Verarbeitung dieser wissenschaftlichen Ergebnisse werden selbstverständlich auch Philosophen und Theologen zu Wort kommen. Damit das Ganze nicht zu trocken wird, werde ich zwischendurch immer wieder kleinere Anekdoten und Geschichten einstreuen, um die mitunter vielleicht etwas abstrakten wissenschaftlichen und philosophischen Erörterungen zu illustrieren und ein wenig verdaulicher zu machen.
    Eine Geschichte wird uns dabei häufiger begegnen. Sie bildet gewissermaßen den roten Faden dieses Buches. Es handelt sich um jene berühmte Erzählung, die man auf den ersten Seiten des sogenannten Buches der Bücher findet: Die Geschichte von Adam und Eva und jener vermaledeiten Frucht, der wir der biblischen Legende zufolge den ganzen Schlamassel hier auf Erden zu verdanken haben …
Die Geschichte von Eva und dem Apfel, der keiner war
    Als man mir zum ersten Mal – ich war wohl gerade fünf oder sechs Jahre alt – die Geschichte vom biblischen Sündenfall erzählte, war ich ziemlich erbost über das Verhalten Evas, die uns, wie ich dachte, bloß wegen eines schnöden Apfels ein Leben in ewiger Glückseligkeit verdorben hatte. Nicht dass ich ein prinzipieller Gegner des Apfelgenusses gewesen wäre, aber mir schien der Preis, den Eva und in ihrer Nachfolge auch ich für diese Frucht zahlen mussten, entschieden zu hoch zu sein.
    Es hat einige Zeit gedauert, bis mir klar wurde, dass die Geschichte von Adam und Eva kein historisches Ereignis widerspiegelte, sondern bloß eine phantasievolle, literarische Erfindung war. Der Menschheit insgesamt erging es in dieser Hinsicht kaum anders. Über Jahrhunderte hinweg haben Christen in kindlicher Naivität an die biblische Schöpfungsgeschichte geglaubt. Wer Zweifel am Realitätsgehalt dieser Legende äußerte, lief Gefahr, als Ketzer verbrannt zu werden. Entsprechend verbissen wurde später von religiöser Seite der Kampf gegen die Evolutionstheorie geführt, die nach den Erschütterungen der kopernikanischen Wende dem biblischen Schöpfungsmythos auch noch die allerletzten empirischen Grundlagen entzog.
    Wie wir fast täglich aus den Medien erfahren können, ist der Widerstreit zwischen Kreationismus (Schöpfungsglaube) und Evolutionstheorie noch längst nicht ausgefochten. So anachronistisch es auch erscheinen mag: Noch heute gibt es weltweit Abermillionen gläubiger Juden, Christen und Muslime,

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