Jerry Cotton - 0528 - Ich gegen die Bestie von Long Island
er nachmittags immer ein oder zwei Whisky?«
»Ja«, sagte Webster. »Das war so seine Art.«
Wells starrte mich an. »Jemand, der das gewußt hat, brauchte also nur das Gift in den Whisky zu geben.«
»Ganz recht«, sagte ich. »Und wer hat es gewußt?«
»Ich zum Beispiel«, erwiderte Wells. »Und Derek, Patricia — praktisch alle, die ihn gut kannten. Es würde eine lange Liste werden, wenn ich Ihnen die Namen aufschreiben sollte.«
»Wie steht es mit Patricia?« fragte ich. »Hatte sie auch ihre festen Trinkgewohnheiten?«
»Wer hat die nicht?« meinte Wells betrübt. »Ich glaube, sie begann das Frühstück mit einem Glas Grapefruitsaft. Sie hatte einen Vitaminfimmel. Leider haben die Vitamine sie nicht vor dem Schlimmsten bewahren können.«
»Ryder sprach von einer neuen Flamme. Wer ist es?« fragte ich.
»Oh, Sie meinen das Girl, das Patricia Emerson aus dem Rennen warf? Das ist Lona Birch. Ein hübscher Käfer, Sir!« Er seufzte. »Bin neugierig, wie Lona die schreckliche Nachricht aufnehmen wird.«
»Wo wohnt das Mädchen?« wollte ich wissen. »Und wovon bestreitet es seinen Unterhalt?«
»Lona hat ein Apartment drüben am Vernon Boulevard, in Queens«, antwortete Wells. »Herb hat es ihr gekauft und eingerichtet. Im Augenblick geht sie keinem Beruf nach, aber bis vor kurzem war sie Maniküre im Waldorf-Astoria. Dort hat Herb sie kennengelernt.«
Ich änderte das Thema: »Was können Sie mir über den Senator McBride sagen?«
Wells hob die Augenbrauen. »McBride? Nicht sehr viel, fürchte ich. Herb setzte auf sein Ticket. Ich selbst bin an Politik nicht interessiert.«
»Miß Emerson behauptete, daß der Tod McBrides beschlossen worden sei, und zwar von Herb Ryder!«
»Das ist Unsinn!« erklärte Wells schroff. »Soll ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten? Herb hat McBrides Wahlkampagne mitfinanziert!«
»Und McBride hat das Geld genommen?«
»Nicht McBride, aber das Wahlkomitee seiner Partei«, meinte Wells. »Jawohl, Herb hat hunderttausend Dollar hingeblättert. Er war nämlich überzeugt davon, daß McBride siegen würde und hielt es für eine gute Idee, den Senator zu unterstützen.« Wells holte erneut sein Taschentuch aus dem Anzug.
Er betupfte sein rotes schweißfeuchtes Gesicht und fragte: »Glauben Sie, daß ein harter, cleverer Geschäftsmann vom Kaliber eines Herb Ryder hunderttausend Dollar für einen Kandidaten ausgeben würde, dessen Tod er wünscht?«
Ich gab zu: »Hunderttausend Dollar sind ein bißchen viel, um das eigene Alibi zu untermauern.«
»Na also! Patricia war sauer auf Herb. Deshalb ging sie zu Ihnen! Sie konnte Herb nicht verzeihen, daß er sich Lona zugewandt hatte.«
Es klingelte. »Endlich!« rief Webster erleichtert aus. Er sprang über den Toten und stürmte durch die Diele. »Das wird der Arzt sein.«
Ich hörte, wie Webster die Tür öffnete. Schritte näherten sich, und Sekunden später ertönte ein halblauter erschreckter Aufschrei. Er kam von den Lippen , einer Frau. An der Wohnzimmerschwelle erschien Derek Webster — in seinen Armen lag eine hübsche blasse Blondine mit auffallend dichten langen Wimpern.
Sie hatte beim Anblick des toten Syndikatsbosses das Bewußtsein verloren.
***
»Wenn du heute keine Moneten mitbringst, haue ich endgültig ab!« drohte die Frau. »Im Supermarkt haben wir keinen Kredit mehr, und sobald es klingelt, kann ich sicher sein, daß jemand Geld für eine unbezahlte Rechnung kassieren will.«
»Du hast immer was zu meckern«, knurrte der Mann. Er hieß Luigi Pagello und war damit beschäftigt, sein Einbruchswerkzeug in einen kleinen schwarzen Koffer zu legen. Der Koffer trug die Aufschrift einer bekannten Kosmetikfirma. »Ich tue schon, was ich kann.«
»Davon habe ich in der letzten Woche nichts bemerkt«, schimpfte die Frau. Sie war groß und hager, aber nicht häßlich. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte sie neben der Tür. »Du hast bloß auf der faulen Haut gelegen und billigen Fusel geschluckt. Ich wette, daran hätte sich bis jetzt nichts geändert, wenn dir der Gin nicht ausgegangen wäre.«
»Hast du mein Horoskop gelesen? Es war während der ganzen Woche miserabel. Erst heute ist es gut. Zum erstenmal seit langem.«
»Du spinnst. Dir ist jede Ausrede recht, wenn du dich von der Arbeit drücken kannst.«
Pagello schloß den Koffer und schlüpfte in einen dunkelblauen Regenmantel. »Ich geh’ ja schon.«
Die Frau sah plötzlich besorgt aus. »Bist du sicher, daß es ein guter Tip
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