Jerry Cotton - 0528 - Ich gegen die Bestie von Long Island
schütterem Haar und einer randlosen Brille.
»Vergiftet«, stellte er fest, nachdem der die Tote kurz untersucht hatte. Er richtete sich auf und rückte seine Brille zurecht. »Es muß ein besonderes Gift sein, dessen Wirkung erst nach einer gewissen Zeit, dann aber schlagartig einsetzt. Pilzgifte haben oft diese Wirkung.«
Phil setzte sich auf den Rand seines Schreibtisches. »Ich glaube nicht, daß hier eine Pilzvergiftung vorliegt«, sagte er düster.
Ich blickte auf die Uhr und notierte die Todeszeit. Es war fünfzehn Uhr siebenundzwanzig.
***
GANGSTERMOLLY IM FBI-HAUPTQUARTIER ERMORDET!
G-MEN SEHEN HILFLOS ZU, WIE GANGSTERBRAUT STIRBT!
MORD IM DISTRIKTOFFICE!
So und ähnlich lauteten die Schlagzeilen der Boulevardpresse. Keine Abendzeitung vermied es, anzudeuten, daß wir uns wie stümperhafte Laien benommen hätten.
Wir brauchten die Artikel nicht zu lesen, um zu wissen, mit welchen Forderungen sie endeten. Uns war auch so klar, daß der Fall schnellstens geklärt werden mußte.
Patricia Emerson war tot, aber Senator Mc Bride lebte noch. Es war unsere Pflicht, ihn am Leben zu erhalten.
Nachdem Mr. High, Phil und ich einen Schlachtplan entworfen hatten, machten wir uns auf den Weg. Phil hatte den Auftrag, mit McBride zu sprechen, während ich mir Herb Ryder vorknöpfen sollte.
Es war zu erwarten, daß Ryder mich mit der spöttischen Selbstsicherheit eines Mannes empfangen würde, der ein Alibi hat und dem nichts nachzuweisen ist. Was uns das Girl auch erzählt haben mochte: Ryder konnte es bestreiten, ohne daß wir in der Lage waren, ihn deshalb einen Lügner zu nennen.
Trotzdem war ich überrascht von dem unverhüllten Hohn, den Ryder bei diesem Gespräch an den Tag legte. Wir saßen im Wohnzimmer seines Luxusapartments an der 5th Avenue. Die Fenster standen offen und ließen einen Hauch der abendlichen Kühle herein, die vom Central Park herüberwehte. Wir waren nicht allein. Derek Webster, Ryders Gorilla, ruhte fast liegend Ln einem der gewaltigen Sessel und demonstrierte mit seiner übertrieben legeren Haltung, was er von meinem Besuch hielt. Ryder saß in einer Ecke der Couch, sehr aufrecht und in mitternachtsblauer Eleganz, ein Musterbeispiel des aalglatten, kühlen und höflichen Businessman, den nichts aus der Ruhe bringt.
Ryder war zweiundfünfzig Jahre alt. Um die Taille herum hatte er in den letzten Jahren etwas Speck angesetzt, aber im ganzen war seine Figur noch tadellos. Sein Einkommen stammte nur zu einem Drittel aus illegalen Quellen, die restlichen Drittel bezog er aus korrekt abgewickelten Geschäften.
Ryder verzog sein schmales hartes Gesicht zu einem matten Grinsen. »Sie kommen wegen Patricia. Ich habe den Zeitungen entnommen, was der Ärmsten zugestoßen ist. Sie war in Ihrem Office und fiel dort plötzlich tot um. Schrecklich! Es ist mir klar, daß Sie mich verdächtigen und nun wissen wollen, warum ich es getan habe.«
»So ist es.«
Er lachte kurz und verächtlich.
»Mann, Cotton! Diesen Weg hätten Sie sieh wirklich sparen können. Ich bin doch nicht so verrückt, mein eigenes Girl umzubringen! Es stimmt — Patricia war nicht mehr meine heiße Favoritin, aber gerade deshalb wäre es mir nicht einmal im Traum eingefallen, ihr ein Haar zu krümmen.«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit Miß Emerson gesprochen?« fragte ich, ohne auf seine Tirade einzugehen.
»Gestern abend. Sie war zwischen neun und elf Uhr bei mir«, antwortete er.
»Heute haben Sie sie nicht gesehen?«
»Ich dachte, das hätten Sie meinen Worten bereits entnommen«, meinte er.
»Ich will hier nicht mit Tricks arbeiten«, erwiderte ich. »Ich will Ihnen klipp und klar sagen, was Patricia Emerson Ihnen vorwarf. Sie nannte Sie einen Mörder.«
Ryder lachte leise. »Du lieber Himmel, sie hat mich gehaßt, Cotton.«
»Warum?«
»Weil ich mich für eine andere interessiere. Ist das so schwer zu verstehen? Ich hatte ihre Eifersüchteleien satt, und zwar gründlich. Als sie merkte, daß ich nicht bereit war, mich mit ihr zu versöhnen, beschloß sie, sich zu rächen. Sie ging zu Ihnen und band Ihnen einen Mordsbären auf.«
»Von einem Bären haben wir nichts gemerkt, wohl aber von einem Mord«, gab ich kalt zurück.
Ryder hob die dichten, mit grauen Haaren durchsetzten Augenbrauen. »Wie ist es eigentlich passiert? Die Zeitungen erwähnten etwas von Gift! Man hat mir gesagt, daß im FBI-Distriktoffice jeder Besucher etwas angeboten bekommt — Kaffee, Eiswasser oder Zigaretten. Hat Patricia etwas
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