Jerry Cotton - 0528 - Ich gegen die Bestie von Long Island
mit ihm?«
Ich hörte Webster telefonieren und rieb mir die Stirn. Zum zweitenmal an diesem Tag war ich Augenzeuge eines Giftmordes geworden.
***
Webster trat auf die Schwelle. »Dr. Kinley kommt sofort«, stieß er hervor.
»Ich hoffe, er bringt gleich den Totenschein mit«, sagte ich und betrat das Wohnzimmer. Ich nahm den Telefonhörer ab und benachrichtigte die zuständige Mordkommission. Meine Stimme klang spröde. Die Tatsache, daß binnen weniger Stunden vor meinen Augen zwei Menschen gestorben waren, ohne daß ich es hätte verhindern können, stimmte mich nicht gerade froh. Die Zeitungen erwartete Nachschub an sensationellen Schlagzeilen.
Der Dicke ging zu einem Sessel und setzte sich. Webster lehnte sich an den Türrahmen, blaß und hilflos. Der Dicke ließ den Kopf hängen und starrte trübe auf das Teppichmuster. »Wer sind Sie?« fragte ich ihn.
Er hob sein mehrfach gewelltes Kinn. »Wells ist mein Name«, erklärte er. »Dicky Wells.«
»Ryders Chefadministrator, nicht wahr?« fragte ich.
»Sein Oberbuchhalter«, erklärte er bescheiden.
»Was verdienen Sie bei ihm?«
Wells machte ein erstauntes Gesicht. »Sollten wir nicht lieber über… über Herbs Tod sprechen?«
»Ich bin dabei«, sagte ich. »Wie hoch ist Ihr jährliches Einkommen?«
»Es liegt bei vierzigtausend Dollar«, meinte Wells und machte eine vage, wie um Verzeihung bittende Handbewegung. »Mr. Ryder besitzt neunzehn Firmen, größere und kleinere. Es ist nicht einfach, den Komplex im Griff zu behalten und stets die richtigen steuerlichen Entscheidungen zu treffen.«
»Wer wird ihn beerben?«
»Seine Frau, nehme ich an.« '
»Ich wußte nicht, daß er verheiratet ist«, sagte ich.
Wells zog ein Taschentuch aus dem Anzug und schneuzte sich geräuschvoll. »Er hat sogar eine Tochter, Mister. Leider kam er nicht sehr häufig dazu, sich um die Familie zu kümmern. Dabei ist Grace eine bezaubernde Frau! Sie wohnt draußen in Long Island.«
»Wer ist für die Testamentseröffnung zuständig? Dr. Lombard?«
»Ganz recht, Sir«, nickte Wells. Er steckte sein Taschentuch wieder ein. »Wie konnte das nur passieren? Ist Herb tatsächlich tot? Ich kann es einfach nicht glauben. Er war doch kerngesünd. Ob er einen Herzinfarkt erlitten hat?«
»Die Symptome stimmen im wesentlichen mit denen bei Patricia Emersons Tod überein«, erwiderte ich und bemerkte, wie sich Websters Züge plötzlich veränderten. Seine Augen wurden ernst, groß und dann sehr schmal. Er nagte an seiner Unterlippe und starrte den dicken Wells an.
Der Dicke erhob sich. »Moment mal!« sagte er kurzatmig. »Wollen Sie damit sagen, daß es Mord war… daß Herb auf die gleiche Weise und vom gleichen Täter wie Patricia vergiftet wurde?«
»Das ist nicht erwiesen, aber es sieht so aus.« Ich blickte auf meine Armbanduhr. Es war einundzwanzig Uhr zehn. »Was hat Ryder zwischen sechzehn und siebzehn Uhr getrieben?« erkundigte ich mich.
»Er hat hier gearbeitet, an seinem Schreibtisch«, berichtete Webster.
»Wer war bei ihm?«
»Ich, sonst niemand.«
»Hat er etwas getrunken oder gegessen?«
»Ein oder zwei Gläser Whisky und eine Tasse Kaffee.« Webster griff sich angstvoll an den Magen. »Den Kaffee haben wir zusammen eingenommen.« Seine Stimme begann zu zittern. »Sie glauben doch nicht etwa, daß das Zeug vergiftet gewesen sein könnte?«
»Haben Sie Schmerzen?«
Webster schluckte. »Ich weiß nicht recht. Mir ist es so, als spürte ich einen Druck im Magen.«
»Das ist sicher die Angst«, knurrte Wells. »Mach uns nicht verrückt damit! Jetzt geht es um wichtigere Dinge. Ich bin ganz durcheinander. Wer könnte ein Interesse an Herbs Tod gehabt haben? Und an dem von Patricia? Das ist mir zu hoch.«
»Hoffentlich kommt der Doktor bald«, murmelte Webster. Auf seiner Stirn bildete sich kalter Schweiß. Er hielt noch immer eine Hand auf den Magen gepreßt.
»Welchen Whisky hat er getrunken?« wollte ich wissen.
»Seine Marke. Jack Daniels. Die Flasche und das Glas müssen noch auf dem Schreibtisch stehen. Das Arbeitszimmer ist nebenan.«
Ich durchquerte das Zimmer und öffnete die Tür. Webster hatte recht. Die dreiviertelvolle Flasche und das Glas ‘ standen auf dem Schreibtisch. Ich beugte mich über das Glas und schnupperte daran. Es war noch ein Rest Whisky in dem Glas; er roch etwas schal und abgestanden. Einen fremden Geruch konnte ich nicht wahrnehmen.
Ich ging zurück ins Wohnzimmer. »War das eine seiner Gewohnheiten?« fragte ich. »Trank
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