Jerry Cotton - 0528 - Ich gegen die Bestie von Long Island
getrunken?« Die unverschämte Unterstellung verschlug mir für ein paar Sekunden die Sprache. »Ja, sie trank einen Becher mit Eiswasser«, nickte ich dann. »Aber zu diesem Zeitpunkt hatte sie das Gift längst geschluckt. Es dürfte, dem Obduktionsbefund zufolge, etwa vier oder fünf Stunden vorher in ihren Körper gelangt sein.«
Ryder spitzte die Lippen. »Demnach müßte sie das Gift schon zum Frühstück bekommen haben.« Er lächelte matt. »Falls es Sie interessieren sollte, Cotton: Mein Alibi für diese Zeit ist in Ordnung. Ich war zwischen halb zehn und halb elf bei meinem Anwalt Dr. Lombard. Er kann für mich bürgen.«
»Das macht es besonders verdächtig«, erklärte ich gelassen.
»Daß Lombard bereit wäre, für mich die Schwurhand zu heben?« fragte Ryder. »Er ist als Notar zugelassen und würde es sich nicht einmal im Traum einfallen lassen, falsches Zeugnis abzulegen.«
»Das meine ich nicht. Was verband Miß Emerson übrigens mit dem Senator McBride?«
Ryder war verblüfft. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie ihn persönlich kannte. Mir gegenüber hat sie seinen Namen nie erwähnt. Weshalb fragen Sie?«
»Kennen Sie den Senator?«
»Flüchtig«, nickte Ryder. »Ich setze auf seinen Wahlsieg. Er ist der kommende Mann.«
Ich lächelte spöttisch. »Meinen Sie im Ernst, damit gut bedient zu werden?«
»Ich bin für starke und gerechte Männer«, behauptete Ryder. Er wandte den Kopf und blickte den Mann im Sessel an. »Stimmt’s, Derek?«
»Stimmt !«' antwortete der Gorilla gehorsam.
Ryder grinste und wandte sich wieder mir zu. »Arme Patricia! Wahrscheinlich hat sie Ihnen eine Menge Unsinn über mich erzählt. Ich hoffe, Sie nehmen das nicht ernst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Mr. Ryder!« betonte ich. »Was erwarten Sie eigentlich von mir? Das Girl hat erklärt, daß Sie ein Mörder sind! Sie brach vor unseren Augen tot zusammen. Vergiftet. Glauben Sie tatsächlich, daß ich die Worte des Mädchens unter diesen Umständen auf die leichte Schulter nehmen kann?«
Ryder zuckte die Schultern. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Stimme halblaut und scheinbar gelangweilt. Trotzdem enthielt sie einen drohenden Unterton. »Ich habe Patricia nicht ermordet, Cotton. Mein Alibi ist einwandfrei. Sie verplempern mit dieser Fragerei nur Ihre kostbare Zeit. Vielleicht halten Sie es für eine gute Idee, mich zu provozieren. Möglicherweise werden Sie die Pressefritzen mit dummen Informationen füttern und Patricias absurde Äußerungen veröffentlichen lassen. Was mich betrifft, so werde ich mich dagegen zur Wehr setzen, mit allen legalen Mitteln!« '
Ich erhob mich und ging zur Tür. »Begleite den G-man hinaus!« grunzte Ryder.
Derek sprang auf. Er war größer und breiter als ich und roch penetrant nach einem scharfen, würzigen Rasierwasser. Dicht hinter mir durchquerte er die Diele. Ich öffnete die Wohnungstür und blickte über die Schulter. »Vielen Dank, Webster«, sagte ich spöttisch. »Ich bin sicher, daß wir uns bald Wiedersehen.« Webster starrte an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick und sah einen dicken Mann aus dem Fahrstuhl kommen. Er watschelte auf uns zu und blieb dicht vor mir stehen. »Besuch?« fragte er mit einem jovialen Lächeln und blickte erst Webster und dann mich an.
»Ein G-man«, erklärte Webster kurz. »Es ist wegen Patricia.«
Der Dicke seufzte. »Armes Mädchen! Ich hoffe, Sie fassen den Mörder, G-man. Es war doch Mord?«
Plötzlich wurde hinter uns die Tür aufgerissen. Ich drehte mich um.
Herb Ryder stand auf der Zimmerschwelle. Er hielt sich mit einer Hand an der Türklinke, mit der anderen am Türrahmen fest. Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Ryder war kreidebleich, sein Atem kam laut und prasselnd, die Augen quollen ihm aus den Höhlen.
»Ich… ich…«, würgte er hervor. Im nächsten Moment brach er zusammen. Wir waren im Nu bei ihm. Ich kniete mich neben ihn auf den Boden.
»Einen Arzt, los, rufen Sie einen Arzt!« stieß ich hervor. Webster jumpte über seinen Boß und eilte in das Wohnzimmer zum Telefon.
Ich riß Ryder den Kragen auf. Er starrte mich an, von Furcht und Schmerzen erfüllt. Mir schien es so, als formierte sich in seinen schreckgeweiteten Augen ein plötzliches Begreifen, dann war es zu Ende.
Seine Lider klappten nach unten. Er bäumte sich auf und streckte den Körper wie jemand, der froh ist, einen schlimmen Anfall überstanden zu haben.
Ich erhob mich. Der Dicke schaute mich an. »Was ist los? Was ist
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