Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod
zusammengekniffenen Augen böse an. Ich kümmerte mich nicht um ihn. Ich hatte mir einen leidlichen Platz in der Ecke gesucht, kauerte mich, so gut es ging, zusammen und schlief zeitweise sogar ein.
Ich schlief auch, als der Laster in den Hof des Fernfahrer-Rasthauses einfuhr. Erst als die Ladetür aufgerissen wurde, erwachte ich. Es war wieder Nacht geworden. Neben Dought stand ein stämmiger Mann mit kurzgeschorenen Haaren in Hemdsärmeln und mit einer weißen Schürze vor dem Bauch. »Wenn er nicht gesehen werden soll, so bringt ihn durch den Hintereingang.«
»Aussteigen!« befahl Holgren. Der Mann in Hemdsärmeln, offensichtlich der Besitzer des Rasthauses, warf einen mißmutigen Blick auf die Handschellen an meinen Gelenken.
»Ist er so gefährlich?«
Holgren lachte. »Wir schlafen ruhiger, wenn er an der Kette liegt.«
Das Rasthaus sah schmutzig und verkommen aus. Der Besitzer führte uns durch die Küche in einen großen Raum, in dem zwei Betten und eine Couch standen. Raf Dought trug den Koffer Holgrens, und er brachte auch meine Jacke mit, die er über einen Stuhl warf.
Holgren zeigte auf die Couch. »Mach’s dir bequem!« Er wandte sich an den Rasthauschef. »Kannst du uns eine Pfanne voll Steaks braten? Okay! Und bring deine beste Flasche Whisky mit.« Ich ließ mich auf die Couch fallen. »Sieht so aus, als bliebe mir noch eine Galgenfrist.«
Der Gangster lachte. »Solange der Boß nicht anruft, bist du sicher, vorausgesetzt, du spielst nicht verrückt.«
»Wann wird dein geheimnisvoller Boß anrufen?«
»Keine Ahnung. Ich hoffe, er läßt mir Zeit, mindestens den halben Inhalt einer Whiskyflasche zu leeren und ein paar Stunden zu schlafen.«
Eine halbe Stunde später saß ich mit beiden Gangstern an einem Tisch und vertilgte meinen Anteil an den Steaks. Man kann ganz gut mit aneinandergeketteten Händen essen, wenn das Fleisch vorgeschnitten wird.
Unter der Wirkung des Whiskys verbesserte sich Holgrens Laune. Er schmiedete Zukunftspläne. »Ich rechne, daß für mich hunderttausend Dollar abfallen«, erklärte er. »Ich verschwinde damit in den Süden und eröffne irgendwo in Mexiko eine Bar mit erstklassigen schwarzhaarigen Girls, auf die die glatzköpfigen Touristen aus dem Norden fliegen. Ich werde groß verdienen, anders als in diesem Halbstarkenkeller in Washington.«
Rai Dought schlief am Tisch ein. Holgren zeigte auf ihn. »Nicht einmal der Haß hält ihn wach!«
Als Holgren genug getrunken hatte, mußte ich mich auf der Couch ausstrecken. Der Gangster zwang mich, die Arme über dem Kopf nach hinten zu strecken, und er band meine Hände mit einem starken Seil an den Fuß des Kleiderschrankes. »Das macht Lärm genug, falls du Turnübungen versuchst.«
Er ließ das Licht brennen, legte sich selbst auf ein Bett, und wenig später hörte ich sein Schnarchen.
Der Stuhl, auf dem meine Jacke lag, stand außerhalb meiner Reichweite. Ich probierte, ob ich mich auf irgendeine Weise von der Fesselung befreien konnte, aber trotz der Alkoholmenge, die er in sich hineingegossen hatte, hatte Holgren die Knoten so fest zusammengezogen, daß ich nichts unternehmen konnte.
Irgendwann schlief ich ein. Ich wachte davon auf, daß eine Klingel durch das Haus schrillte. Es war bereits wieder Tag geworden. Das Licht fiel durch die Spalten der Jalousien.
Immer noch schrillte die Klingel, gedämpft durch Türen und Wände. Dann hörte ich das Schlagen einer Tür, schlurfende Schritte, und das Läuten brach ab.
Holgren und Dought rührten sich nicht. Die Tür zu dem Zimmer wurde aufgestoßen. Der Rasthauschef kam herein. »He«, grunzte er. »He, wach auf!«
Holgren fuhr hoch. Auch Dought richtete sich auf. »Ein Mann will dich am Telefon sprechen!«
Holgren sprang vom Bett. »Paß auf unseren Freund auf!« rief er Dought zu. Er warf ihm die Cower-Pistole zu.
Fünf Minuten später kam er zurück. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck von Ratlosigkeit.
»War es der Boß?« fragte Dought.
Holgren nickte. »Ja, er war es, und er will, daß wir den G-man nach Greenville schaukeln und dort mit ihm in einen Zug steigen.«
»Wo ’rein?« fragte Dought verdutzt.
»In einen Zug, zum Teufel! Einen Expreß! In den South-Expreß! Abfahrt 20 Uhr 14 Ortszeit ab Greenville.«
***
Er kam zu mir und zerschnitt das Seil zwischen meinen Händen und dem Schrank. Die Handschellen lagen noch immer um meine Gelenke.
»Ich weiß nicht, wie der Boß es sich vorstellt, dich an Bord eines Zuges zu schaffen«, wütete er.
Weitere Kostenlose Bücher