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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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gab keine Prozessionen, keine Opferrituale, und aufgrund des Bilderverbots im Judentum wurde das Konterfei des Kaisers nicht, wie sonst üblich, auf die Münzen geprägt.
    Ohne Zweifel profitierte Jesus von der vergleichsweise ruhigen sozialen und politischen Situation und der religiösen Toleranz; unter Antipas behielt Galiläa seine starke jüdische Identität. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass Jesus Jude war, dass er nichts anderes als Jude sein wollte und nur aus dem Judentum heraus verstanden werden kann. Er bewegte sich im Rahmen der jüdischen Traditionen und Sitten, von der Beschneidung über die Speisevorschriften zum Synagogenbesuch und der Sabbatheiligung, er war im Wesentlichen toratreu und setzte die göttliche Erwähltheit des Volkes Israel voraus. Alles, was er tat, dachte und sagte, bezog sich auf das Judentum und war an das Volk Israel gerichtet. Wäre Antipas ein brutaler, ignoranter, dummer Herrscher gewesen – heftige Spannungen und Konflikte wären programmiert, Verhaftungen, Verurteilungen, Hinrichtungen und ein Klima der Angst wahrscheinlich gewesen.
    Einmal, kurz vor seinem Tod, könnte Jesus dem ungefähr 16 Jahre älteren Herrscher sogar direkt begegnet sein – nach der Verhaftung in Jerusalem, die wahrscheinlich im Jahr 30 stattgefunden hat. Das Lukasevangelium berichtet: Als Pilatus, Präfekt von Judäa, Jesus, den Galiläer, zu Antipas geschickt hatte, welcher gerade in Jerusalem weilte, habe dieser ihn erst sehr froh begrüßt, dann ein Zeichen von Jesus erhofft, den Schweigenden schließlich verspottet, ihm ein weißes Gewand angelegt und wieder zurück zu Pilatus gesandt. »An dem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde.«
    Indirekt begegnete Jesus dem Herrscher ständig, weil er, wie jede männliche Person ab 14 Jahren, kopfsteuerpflichtig war – daher ist es wahrscheinlich, dass Jesus einen Beruf hatte. Entweder war er Fischer oder Landwirt oder Zimmermann, weil Obergaliläa durch Landwirtschaft, Fischerei und Bauhandwerk geprägt war. Wenn es stimmt, dass Jesu Vater Bauhandwerker war und womöglich auf der damaligen Großbaustelle beim Wiederaufbau der Stadt Sepphoris Hand angelegt hatte, ist anzunehmen, dass auch Jesus Bauhandwerker war, weil Söhne gewöhnlich den Beruf des Vaters ergriffen. Der Begriff »Zimmermann« – so übersetzt Martin Luther das griechische Wort »tekton« – setzt jedoch die Verarbeitung von Holz voraus, in Obergaliläa aber gab es kaum Holz. Also ist wahrscheinlich, dass beide, Josef wie Jesus, Steinhandwerker auf Montage waren. Die Bibel berichtet aus Jesu Jugend kaum etwas, es fehlt ein historisch greifbarer Kern. Die Geburtsgeschichte in der Krippe zu Bethlehem etwa, die zum Kanon der westlichen Kulturgeschichte gehört, ist nach Auffassung der großen Mehrheit der Neutestamentler reine Legende, eine erfundene Erzählung, mit der die Geburt von Jesus gedeutet werden soll – dass er der erwartete Nachfolger Davids sei. Und nach alttestamentlich-jüdischer Tradition und dem Buch des Propheten Micha würde der sogenannte Davidide, der künftige Herr Israels, aus der Stadt Davids kommen – aus Bethlehem in Judäa.
    Jesus aber kam aus Nazareth in Galiläa, einem Dorf von maximal 400 Einwohnern. Daran besteht kaum Zweifel, wie an seiner Existenz überhaupt. Weil er jedoch weder bei den jüdischen Schreibern seiner Zeit erwähnt wird und es außerhalb christlicher Überlieferung nur sehr wenige kurze Notizen über Jesus gibt (so bei Tacitus, bei Josephus Flavius und Sueton), liegt es bei der historischen Jesus-Forschung, die Kontexte der damaligen Lebenswelt zu rekonstruieren. Dies begann mit dem »Third Quest«, dem dritten Ansatz der historischen Jesus-Forschung in den siebziger Jahren, der – und das war das Neue – den soziokulturellen Umständen Vorrang vor der theologischen Deutung einräumte. Dabei versuchte man, die Person Jesus vor dem Hintergrund der damaligen Gesellschaftsordnung verständlich zu machen.
    Näher als durch diese sozialwissenschaftliche Rekonstruktion ist man der realen Person hinter dem theologisch-literarischen Jesus nie gekommen: Das Einzige, auf das sich alle Richtungen des Third Quest, ohne glaubwürdigen materiellen Beweis dafür zu haben, letztlich einigen können, ist die Annahme, dass Jesus aller Wahrscheinlichkeit nach gelebt hat. »Es handelt sich um eine historische Figur und nicht um einen Mythos«, sagt Jens Schröter, Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Berliner

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