Jetz is, wo früher inne Vergangenheit die Zukunft war (German Edition)
kein Mensch getraut hat, ihn auf seine «Begabung» – sach ich ma – aufmerksam zu machen. Ich mein, dat is ja schon en Schlag ins Kontor, wenne ein sachs, dat er ausm Mund riecht wie en Laternenpfahl ganz unten. Da können schon Freundschaften dran zerbrechen.
Ja, aber so ging dat nich mehr weiter, weil, der Kurt krichte zunehmend in alle Bereiche Probleme. Auch beruflich. Er is ja Bulle, also … Polizei. Und er hatte sich ja über all die Jahre hochgearbeitet von Streifenwagen im Büro. Ers war er auch noch mit drei, vier Kollegen im Büro, dann war er zu zweit, und schließlich saß er ganz allein aufe Schreibstube, weil die andern sich ham versetzen lassen oder ständig Krankenschein wegen chronische Kopfschmerzen und Sehstörungen.
Die Wache war irgendwann berüchtigt! Viele Verbrecher ham schon am Tatort gesungen, wenn se hörten, dat se aufe Wache vom Kurt verhört werden sollten.
Ja, dann hamsen wieder auf Streifenwagen zurückversetzt, zu sonne nette junge Kollegin. Jetz krichte die aber chronische Bindehautentzündung, weil die immer mim Kopp ausm Fenster gefahren is. Ja, so schlimm war dat, dat die lieber die Abgase von die LKWs eingeatmet hat als den Kurt. Dat Ende vom Lied war, dat sen als Einzelbulle auf Fußstreife geschickt ham.
Ers hatte dat en sehr positiven Effekt. Die Kriminalitätsrate is drastisch zurückgegangen. Ja, die Verbrecher ham alle en großen Bogen um ihm sein Einsatzbezirk gemacht. Andere aber auch! Irgendwann mussten die ersten Geschäfte schließen, Restorangs, Wohnungsleerstand … Dat wurd en richtiges Problemviertel! Praktisch Geisterstadt. Wobei, ich glaub, sogar die Geister sind da abgehaun.
Ich vermute jedenfalls, dat diese Veränderung durch den Kurt ausgegangen is. Wobei die Herren Politiker andere Erklärungsmuster für den Niedergang von den Stadtteil puppelleziert haben. Die ham sich au nich getraut, den Kurt dat zu sagen.
Ja, jetz hatte er neulich groß eingeladen zu sich nach Hause zu sein runden Geburtstag. Wat soll ich Sie sagen, ich war der Einzigste, der seine Einladung gefolgt war! Und wie ich ihm den Blumenstrauß überreich zu seine Gratulation und er gerührt «Danke, Herbert!» haucht, konnse zukucken, wie der Strauß in seine Hände den Löffel abgab.
Und dat war für mich dat Zeichen zu handeln! Ich sach, Kurt, hast du grad dat mit den Strauß mitgekricht, wie der eingeknickt is? Ich sach, Kurt, sach gez bitte nix! Halt einfach die Luft an fürn Moment! Ich sach, dat kann gez ganz bitter werden für dich. Wat ich dir sagen muss, kann unsre Freundschaft in ihre Grundfesten erschüttern! Ich sach nur ein Wort: Mundgeruch!
Wissen Se, wat der da sacht?! Ja, Herbert, dat is mir auch schon aufgefallen. Da musse ma wat gegen unternehmen. Musse ma zum Zahnarzt gehen. Dat kommt oft vonne Paradontose. Aber ich find dat gut, dat du dat selber ansprichs! Dat zeichnet ne Freundschaft aus, dat man sich alles im Gesicht sagen kann!
Auswanderer
Boh glaubse, heut Morgen hab ich ne Ansichtskarte gekricht von Kanada! Hömma, mit ner Wurst vorne drauf! Und hintendrauf stand geschrieben: «Eine Wurst setzt sich durch!»
Ich denk, wat für ne Wurst schreibt dir denn sonne Karte?! Aber dann fiel et mir wie Schuppen ause Augen, von wem die Karte war: vonne Knuffmanns von gegenüber, die ausgewandert sind!
Und zwar komm ich vor paar Monate bei uns ausn Haus raus, und da steht da aufe andere Straßenseite en riesen Möbelwagen. Ja, da war direkt meine Neugier geweckt. Ich hatte an für sich mein Frau versprochen, en paar Besorgungen zu machen, aber jetz hatten sich die Pioritäten schlagartig verschoben. Ich musste ersma wissen, zu wen der Möbelwagen gehörte. Und da seh ich auch schon, wie ausn Hausflur gegenüber der Eugen Knuffmann rauskommt, mit ner Standuhr im Arm, aber mit nem unheimlichen Kawenzmann von Standuhr!
Ich sach, Eugen, wat is los? Wat macht ihr mit die Sachen hier? Da sacht er, dat kommt alles in Container. Ich sach, dat wird aber auch Zeit, dat ihr euch ma von euern ganzen Gelumpe trennt! Hoffentlich werdet ihr dat überhaupt los aum Recyclinghof! Die nehmen da mittlerweile auch nich mehr jeden Scheiß.
Auf einma stellt er die Uhr in den Möbelwagen. Ich sach, Eugen, ich dachte, dat wär für den Container. Da sacht er, ja, Überseecontainer. Da würd er dat jetz hinbringen. Ich sach, Eugen, die Uhr kannse doch auch hier entsorgen. Da musse doch kein Mülltourismus veranstalten. Oder is dat eine von diese kontaminierte Atomuhren? Dann aber nix
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