Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
schaffte ich es noch zum Frisör.
Gegen sechs kam ich aus dem Salon, frisch getönt und geföhnt. Ich bummelte noch ein bisschen die Hoheluftchaussee entlang. Während ich im Schaufenster eines Einrichtungshauses eine Sitzlandschaft in der Farbe eines reifen Pfirsichs betrachtete, ertappte ich mich bei der Frage, ob sie Knut wohl gefallen würde. Ich seufzte und machte mich auf den Weg zur Bahn. Es war dumm von mir gewesen, mich mit ihm zu verabreden. Er würde eine Antwort erwarten. Und ich hatte keine.
Fast wäre ich über einen alten Mann gestolpert, so sehr war ich Gedanken vertieft. Er saß am Eingang zur Bahnstation und bettelte. Mein Fuß stand auf seinem Mantel. »Entschuldigung.« Er hielt mir die Handfläche entgegen. Schon verstanden. In meinem Portemonnaie waren nur Scheine. »Moment, ich geh eben wechseln.« Gegenüber war ein Kiosk. Ich musste warten, bis die Frau vor mir ihren Flachmann bezahlt und mit einer schnellen Bewegung in die Jackentasche gesteckt hatte. Ich weiß noch, dass ich dachte: ganz schön schicke Jacke. Die Frau drehte sich um. Zinnoberrote Lippen, Katzenaugen. Oh! »Guten Abend, Frau Berger.« Ein flackernder Blick wanderte über mein Gesicht. Sie wusste nicht, wie lange ich schon hinter ihr stand, was ich gesehen hatte. Ich lächelte, und sie entspannte sich, brachte ein knappes ’n Abend über die Lippen, nickte mir zu und verschwand im Eingang zur Bahn. Fast hätte ich vergessen, das Geld zu wechseln und dem alten Mann seine Münze zu geben.
Das Bild der Berger verfolgte mich während der Fahrt nach Hause. Immer wieder sah ich die kleine Flasche mit dem Schnaps blitzschnell in der Jackentasche verschwinden. Natürlich dachte ich an die Fahne, die die Berger kürzlich gehabt hatte. Eine Alkoholikerin? Sie? Aber das hätte ich doch längst merken müssen. Das wurde man doch nicht von jetzt auf gleich. Vielleicht hatte sie einen Rückfall? Und selbst wenn. Das war ihr Problem, nicht meins. Es ging mich nichts an. Ich würde vergessen, was ich gesehen hatte. War ja nicht so, als hätte ich keine eigenen Sorgen. Am nächsten Tag im Büro ging sie mir aus dem Weg.
Im Restaurant zündete der Kellner die Kerze an, die in einem schweren Silberleuchter auf dem Tisch stand. »Darf ich schon ein Getränk bringen?« Ich war zu früh dran. Und ein bisschen nervös. »Die Signora möchte noch warten? Natürlich, kein Problem.« Ich kam gern hierher, das Personal war freundlich, das Essen gut, die Preise waren vertretbar. Ich guckte in die Karte. »Hallo, schöne Frau.« Knut stand vor mir. Wenn er es denn wirklich war. Er trug eine sichtlich neue schwarze Jeans, dazu ein silbergraues Hemd. Der Haarschnitt war auch neu; besser gesagt: Er hatte einen Haarschnitt, und das war neu. Eigentlich fehlte nur ein Schild um den Hals, auf dem stand: Schau her, ich ändere mich! Ich musste lächeln. »Gut siehst du aus.« – »Danke.« Der Kellner brachte eine zweite Karte. »Weißt du schon, was du trinken möchtest?« – »Wasser bitte.« Knut bestellte sich Bier. Gott sei Dank. Wenn er jetzt noch von Bier auf Wein umgeschwenkt wäre, hätte ich als Nächstes wahrscheinlich mit Minnesang rechnen müssen. Knut kann Wein nicht leiden.
Er bestellte ein Steak, ich entschied mich für Saltimbocca und ein neutrales Thema. »Wie geht es Samara?« – »Gut, es kann jetzt jeden Augenblick losgehen.« – »Müsstest du dann nicht dort sein?« – »Jutta und Jens sind da.« Okay, kapiert. Ich hatte ihm vorgeworfen, zu viel über Affen zu reden, also redete er nicht über Affen. »Ich hab heute mit Tina telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass du überlegst, unbezahlten Urlaub zu nehmen, um mit ihr an einem Buch zu arbeiten. Großartige Idee. Du wolltest doch immer schon mal was anderes machen.« – »Und du hast das für völligen Unsinn gehalten. Woher der Sinneswandel?« – »Es war ein Fehler, dass ich dich so abgebügelt habe.« Ich lachte. »Nun übertreib’s mal nicht mit dem Zu-Kreuze-Kriechen.«
»Na ja, damals habe ich halt an das Geld gedacht, daran, dass wir unser Erspartes für den Hof brauchen.« – »Und jetzt nicht mehr?« Das Erstaunen in seinen Augen war echt. »Was soll ich denn jetzt noch mit einem Hof? Ohne dich? Na ja, und der Rücken – ich würde das auch gar nicht mehr schaffen. Also, wenn du eine Pause brauchst, um was Neues auszuprobieren, ich steh dir nicht im Weg.« Er trank in großen Schlucken sein Bier aus und orderte ein zweites. – »Und was ist mit Gerti?« – »Die
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