Rein Wie Der Tod
1
Er hatte das Bedürfnis nach frischer Luft, aber um die Wagenfenster zu öffnen, musste er zuerst den Zündschlüssel umdrehen. Wenn er das tat, gingen automatisch die Scheinwerfer an und würden wahrscheinlich alles zunichtemachen.
Er hob den Arm und legte den Handrücken gegen die Scheibe, erkannte vage die Zeiger seiner Armbanduhr. Erst zwei Uhr. Er lehnte den Kopf an das Glas. Sah zum Gott weiß wievielten Mal zu dem Einfamilienhaus am Ende der Straße. Die Fenster leuchteten gelb. Keine Aktivität zu erkennen.
Das Handy in seiner Brusttasche vibrierte.
Er richtete sich auf. Hörte das Geräusch von Absätzen, die über den Asphalt schabten. Im rechten Seitenspiegel erschien eine Frau. Sie trug eine kurze Jacke, enge Jeans und eine Umhängetasche. Ihr Schatten schrumpfte, als sie unter der Straßenlaterne hindurchging. Sie war mit ihrer Tasche beschäftigt, hob sie vor die Brust und öffnete sie im Gehen.
Den Blick auf den Seitenspiegel gerichtet, ließ er sich im Sitz nach unten gleiten. Versuchte, sich klein zu machen.
Direkt neben dem Wagen blieb sie stehen.
Er rutschte noch tiefer.
Sie holte etwas aus ihrer Tasche.
Er presste den Kopf nach hinten, um nicht vom Spiegel eingefangen zu werden.
Sie ging in die Hocke. Betrachtete sich im Seitenspiegel. Fuhr mit einem Lippenstift über ihre Lippen, presste sie zusammen und entfernte etwas Farbe aus dem Mundwinkel. Erhob sich wieder.
Eine Unendlichkeit verging.
Schließlich ging sie weiter auf das Haus am Ende der Straße zu.
Vor der schmiedeeisernen Pforte blieb sie stehen. Sah sich um. Das Geräusch von Metall gegen Metall, als sie die Pforte öffnete. Als sie sie hinter sich schloss, quietschten die Scharniere.
Langsam glitt die Gestalt auf die Eingangstür zu, die sich öffnete, als sie die Treppe hinaufstieg.
Frank Frølich sah auf die Uhr. Zwei Uhr acht.
Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, ertönte Rindals Stimme aus dem Headset.
»Was war das?«
»Frag mich nicht.«
»Hat sie dich gesehen?«
»Keine Ahnung.«
»Wenn sie dich gesehen hat, weiß er, dass wir hier sind.«
»Das hat er die ganze Zeit gewusst.«
Stille. Frank Frølich zählte stumm bis zehn.
»Es war bestimmt kein Zufall, dass sie ausgerechnet bei deinem Wagen stehen geblieben ist.«
»Doch, das kann Zufall gewesen sein. Sie hat in den Spiegel geschaut, sich die Lippen angemalt.«
»Kriegst du eine Personenbeschreibung hin?«
»Hab nur das Profil gesehen. Pony, rotes Haar, dreißig plus.«
»Bleib, wo du bist. Du kriegst Bescheid.«
Das Headset verstummte. Wieder war die Nacht still, und sein schmerzender Körper meldete sich zurück. Das Einzige, was er tun konnte, war, seine Sitzhaltung zu verändern.
* * *
Das Vibrieren des Handys weckte ihn. Mittlerweile war es ganz hell geworden. Er hatte ungefähr vier Stunden geschlafen.
Rindal war guter Laune. Die Stimme an seinem Ohr sang Bruder Jakob.
»Sorry«, gähnte Frølich. »Bin eingeschlafen.«
»Das haben wir gemerkt.«
»Hab ich was verpasst?«
»Nee, gar nichts, aber jetzt passiert was. Du kannst es wiedergutmachen.«
Linker Seitenspiegel. Ein Taxi. Der Wagen fuhr vorbei, bis zum Wendeplatz, machte kehrt und hielt schließlich vor dem letzten Haus in der Straße. Ein weißer Mercedes. Der Dieselmotor schnarrte. Die Haustür wurde geöffnet. Die Frau lief eilig zum Taxi.
Die Stimme am Ohr: »Auf die Plätze, fertig, los!«
Frank Frølich wartete, bis der Mercedes vorbeigefahren war, dann schaltete er den Motor ein. Die Reifen quietschten, als er auf den Wendeplatz zuschoss und die gleiche Kehrtwendung machte wie das Taxi. Er warf einen Blick nach rechts, als er an dem Haus vorbeifuhr. Eine bekannte Silhouette stand an einem Fenster und beobachtete, was draußen vor sich ging. Es war Zahid.
Er holte das Taxi ein und hängte sich einige Meter dahinter. So früh am Morgen war wenig Verkehr. Ab und zu ein Lastwagen, vereinzelte Taxen, ein paar Lieferwagen.
Sie fuhren auf die E6, in Richtung Oslo Zentrum. Das Taxi fuhr annähernd hundertzwanzig.
Das Handy vibrierte wieder. »Was geht ab?«
Er rückte das Mikro zurecht, als der Wagen in den Vålerenga-Tunnel hineinschoss. »Bin dran.«
»Finde raus, wer sie ist und wo sie wohnt. Kein Grund zur Zurückhaltung, wenn Zahid dich sowieso gesehen hat.«
Fröhlich unterbrach die Verbindung. Das Taxi nahm die Ausfahrt in der Lücke zwischen den beiden Tunneln. Er folgte ihm. Als ihre beiden Wagen in der Haarnadelkurve direkt nebeneinander fuhren,
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