Ein Clochard mit schlechten Karten
Zu diesem Buch
Léo Malet, geboren am 7. März
1909 in Montpellier, wurde dort Bankangestellter, ging in jungen Jahren nach
Paris, schlug sich dort unter dem Einfluß der Surrealisten als Chansonnier und
„Vagabund“ durch und begann zu schreiben. Zu seinen Förderern gehörte auch Paul Eluard . Eines von Malets Gedichten trägt den bezeichnenden Titel „Brüll das Leben an“. Der Zyklus seiner
Kriminalromane um den Privatdetektiv Nestor Burma — mit der reizvollen Idee,
jede Folge in einem anderen Pariser Arrondissement spielen zu lassen — wurde
bald zur Legende. René Magritte schrieb Malet, er habe den Surrealismus in den
Kriminalroman hinübergerettet. „Während in Amerika der Privatdetektiv immer
auch etwas Missionarisches an sich hat und seine Aufträge als Feldzüge, sich
selbst als einzige Rettung begreift, gleichsam stellvertretend für Gott und
sein Land, ist die gallische Variante, wie sie sich in Burma widerspiegelt,
weitaus gelassener, auf spöttische Art eigenbrötlerisch, augenzwinkernd
jakobinisch. Er ist Individualist von Natur aus und ganz selbstverständlich,
ein geselliger Anarchist, der sich nicht von der Welt zurückzuziehen braucht, weil
er sie — und sie ihn — nicht versteht. Wo Marlowe und Konsorten die Einsamkeit
der Whisky-Flasche suchen, geht Burma ins nächste Bistro und streift durch die
Gassen.“ („Rheinischer Merkur“) 1948 erhielt Malet den „Grand Prix du Club des Détectives “, 1958 den „Großen Preis des Schwarzen Humors“. Mehrere seiner Kriminalromane wurden auch verfilmt; unter anderen
spielte Michel Serrault den Detektiv Burma. In der
Reihe der rororo -Taschenbücher liegen bereits vor
„Bilder bluten nicht“ (Nr. 12592), „Stoff für viele Leichen“ (Nr. 12593), „ Marais -Fieber“ (Nr. 12684), „Spur ins Ghetto“ (Nr. 12685),
» Bambule am Boul ’ Mich’“
(Nr. 12769), „Die Nächte von St. Germain“ (Nr. 12770), „Corrida auf den Champs-Elysées “ (Nr. 12436), „ Streß um Strapse“ (Nr. 12435), >Wie steht mir Tod?“ (Nr. 12891), „Kein Ticket für
den Tod“ (Nr. 12890), „Die Brücke im Nebel“ (Nr. 12917) und „Die Ratten im
Mäuseberg“ (Nr. 12918).
Léo Malet
Ein
Clochard
mit schlechten Karten
Krimi
aus Paris
Aus
dem Französischen
von
Hans-Joachim Hartstein
Malets Geheimnisse von Paris
Les Nouveaux Mystères de Paris — ------------------
Herausgegeben
von
Pierrette Letondor und Peter Stephan
15.
Arrondissement
Veröffentlicht
im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH,
Reinbek
bei Hamburg, Oktober 1993
Copyright
© der deutschen Übersetzung 1988 by
Elster
Verlag GmbH, Bühl-Moos
Copyright
© der französischen Originalausgabe 1982 by
„ Éditions Fleuve Noir“, Paris
Abdruck
der Karte mit freundlicher Genehmigung der
Éditions L’INDISPENSABLE, Paris
Umschlagillustration Detlef Surrey
Umschlagtypographie
Walter Hellmann
Gesamtherstellung
Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
890-ISBN
3 499 12919 1
1
Der Dezember war relativ mild,
aber dafür beglückte uns ein Nieselregen, Thema Nr. i bei allen Frisören und Concierges.
War er nun besser als der Schnee, auf den wir normalerweise nach dem 15.
Anspruch hatten, oder nicht? Jedenfalls brachte er nicht grade Glanz in die Rue
de la Saïda .
Sicher, besser in der Rue de la Saïda wohnen als überhaupt nicht wohnen und unter den
Brücken pennen. Aber trotzdem! Eine fröhliche Straße ist was anderes.
Die Frau, die mich anrief,
wohnte in der Rue de la Saïda , eben in einem der
Häuserblocks für schmale Brieftaschen. Verbrochen hatte den Bau wohl ein
Architekt mit sehr ausgeprägtem Familiensinn und einem Arzt in der
Verwandtschaft, der hier in der Gegend praktizieren mußte. Wie ich darauf kam?
Die halsbrecherischen Eisentreppen außen an den Häusern brachten mich auf die
Idee. Feuertreppen nennt man so was wohl, glaub ich. Oder Brandtreppen. Kann
mich auch täuschen. Feuerfest war das Ganze ja vielleicht, brandneu aber
bestimmt nicht. Ein verdammt düsterer Käfig, der zwei Häuser miteinander
verband, feindselig, fünf Etagen hoch, dem Wind gnadenlos ausgesetzt. Kurz
gesagt, nichts für Leute, die schwach auf der Brust sind. Hier konnte man sich
prima den Tod holen. Und schon wären wir bei der Idee mit dem Arzt in der
Familie...! Außerdem war das Ding nicht schlecht zur Abwehr von möglichen
Geldeintreibern und Gerichtsvollziehern. So kommt alles wieder
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