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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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Tür auftauchte. Ungefähr eine Handbreit über dem Boden lugte es für einen Augenblick hinter dem Türrahmen vor und verschwand sofort wieder. Es war Fing Pong!
    Er hatte bis in den Vormittag hinein geschlafen, weil er gestern so ungewöhnlich spät ins Bett gekommen war. Darum hatte er seine neuen Freunde nicht mehr bei der Lokomotive angetroffen. Die Leute erzählten ihm, daß die Palastwache die beiden Lokomotivführer abgeholt hätte. Als er das hörte, stieg eine bange Ahnung in Fing Pong auf. Er lief durch alle Gänge des kaiserlichen Amtes, bis er von weitem den Lärm des Kampfes vernahm, ihm nachging und die offene Tür sah. Mit einem Blick hatte er die Gefährlichkeit der Lage erkannt. Hier konnte nur noch einer helfen: Der erhabene Kaiser selbst! Wie ein Wiesel rannte Fing Pong durch die Gänge, die Treppen hinauf, durch Säle und Gemächer. Manchmal mußte er zwischen Posten hindurch, die ihn mit gekreuzten Hellebarden aufzuhalten versuchten, doch er schlüpfte einfach darunter durch. Er legte sich in die Kurven, rutschte auf dem blanken Marmorboden aus und verlor kostbare Sekunden. Doch schnell hatte er sich wieder aufgerappelt und jagte, kleine Staubwölkchen hinter sich lassend, weiter. Jetzt hüpfte er eilig eine breite Marmortreppe hinauf und lief auf einem endlosen Teppich entlang. Er rannte und rannte und rannte …

    »Und wir lassen sie erst zu ihm, wenn wir alles genau geprüft haben…«
    Nun war er nur noch zwei Vorzimmer weit von dem Thronsaal des Kaisers entfernt. Jetzt nur noch eines. Da waren schon die großen Flügeltüren des Saales … aber - o Schreck! - diese Türen wurden eben langsam von zwei Dienern geschlossen. Im allerletzten Augenblick witschte Fing Pong noch durch einen schmalen Spalt, und nun war er im Thronsaal. Mit leisem Donner fiel hinter ihm die Tür ins Schloß.
    Der Thronsaal war riesengroß, und ganz am Ende sah Fing Pong den erhabenen Kaiser auf seinem Thron aus Silber und Diamanten sitzen unter einem Baldachin aus hellblauer Seide. Neben dem Thron stand auf einem Tischchen ein mit Brillanten besetztes Telefon.
    In einem weiten Halbkreis waren die Mächtigen des Reiches, die Fürsten und die Mandarine und die Kämmerer und die Edlen und die weisen Männer und die Sterndeuter und die großen Maler und Dichter Mandalas versammelt. Sie alle zog der Kaiser in wichtigen Dingen der Regierung zu Rate. Auch Musiker waren da mit gläsernen Geigen und silbernen Flöten und einem mandalanischen Klavier, das über und über mit Perlen verziert war.
    Eben begannen die Musiker, eine feierliche Melodie zu spielen. Es war ganz still in dem großen Saal, und alle lauschten andächtig. Aber Fing Pong konnte unmöglich warten, bis die Musik zu Ende war, da Konzerte in Mandala noch viel länger dauern als sonst irgendwo auf der Welt.
    Er drängte sich durch die Menge der Würdenträger, und als er noch ungefähr zwanzig Meter von dem Thron entfernt war, warf er sich auf den Bauch nieder - denn so mußte man in Mandala den Kaiser begrüßen - und rutschte in einem Riesenschwung bis vor die silbernen Stufen.
    Unter den Würdenträgern entstand Unruhe. Die Musikante n brachen ab, denn sie waren aus dem Takt gekommen, und ein zorniges Gemurmel erhob sich.
    Der Kaiser von Mandala, ein großer, sehr alter Mann mit einem schneeweißen dünnen Bart, der bis auf den Boden herabhing, blickte verwundert, aber nicht unfreundlich, auf den winzigen Fing Pong zu seinen Füßen.
    »Was willst du, Kleiner?« fragte er langsam. »Warum störst du mein Konzert?«
    Er sprach mit leiser Stimme, aber diese Stimme hatte einen Klang, der bis in den letzten Winkel des großen Thronsaales zu vernehmen war.
    Fing Pong schnappte nach Luft.
    »Jipp …« stieß er hervor, »Lukf … Lokomoff … Geff … Gefahr!«
    »Sprich langsam, mein Kleiner!« gebot der Kaiser milde. »Was gibt es? Laß dir nur Zeit!«
    »Sie wollen doch Li Si retten!« keuchte Fing Pong.
    Der Kaiser sprang auf.
    »Wer?« rief er, »wo sind sie?«
    »Im Amt!« schrie Fing Pong. »Bei Herrn Pi Pa Po!.. . Schnell! … Pal … Palastwache!«
    »Was ist mit der Palastwache?« fragte der Kaiser aufgeregt.
    »… wollen sie töten!« japste Fing Pong. Nun brach eine ungeheure Aufregung los. Alles rannte zur Tür. Die Musiker ließen ihre Instrumente im Stich und rannten mit. Allen voran lief der Kaiser, beflügelt von der Hoffnung, daß seine Tochter gerettet werden könnte. Hinter ihm eilte der Schwärm der Würdenträger, in deren Mitte sich der
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