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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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zusammengestürzt. Jim sah, wie links und rechts die Felswände zersplitterten, als würden sie gesprengt, wie die himmelhohen Berggipfel ins Wanken gerieten, in sich zusammenbrachen und das »Tal der Dämmerung« mit ihren Trümmern füllten. In Windeseile kam das Unheil hinter der Lokomotive her.
    Jim schrie auf und riß Lukas am Ärmel. Lukas drehte sich um und erfaßte mit einem Blick das drohende Verhängnis. Ohne sich eine Sekunde zu besinnen, warf er einen kleinen roten Hebel herum, auf dem stand:
    Nothebel! Nur in äußerster Gefahr benützen!
    Er hatte diesen Hebel seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht, und es war sehr ungewiß, ob die gute alte Emma solch einer Anstrengung noch gewachsen war. Aber es blieb keine Wahl.
    Emma spürte das Signal und stieß einen gellenden Pfiff aus, der heißen sollte: Ich habe verstanden! Und dann stieg der Zeige r auf dem Geschwindigkeitsmesser am Schaltbrett, stieg weiter und weiter, stieg über den roten Strich hinaus, bei dem Höchstgeschwindigkeit stand, stieg noch weiter bis dorthin, wo gar nichts mehr stand, und dann zersprang der Geschwindigkeitsmesser in tausend Stücke. - Wie es ihnen gelang, wußten Jim und Lukas später selber nicht mehr, aber sie brachten es fertig, dem Untergang zu entrinnen. Wie eine Kanonenkugel schoß die Lokomotive aus dem Ende der Schlucht heraus, gerade in dem Augenblick, als hoch über ihnen die letzten Berggipfel ineinanderstürzten.
    Lukas legte den roten Hebel zurück. Emma rollte langsamer, und dann gab es plötzlich einen Ruck. Die Lokomotive ließ allen Dampf ab und blieb einfach stehen. Sie schnaufte nicht und gab überhaupt kein Lebenszeichen mehr von sich. Lukas und Jim stiegen aus, nahmen das Wachs aus den Ohren und blickten zurück.
    Hinter ihnen lag das Gebirge »Die Krone der Welt«, und an Stelle der Schlucht, durch die sie gekommen waren, erhob sich meilenhoch eine rote Staubwolke.
    Dort war einmal das »Tal der Dämmerung« gewesen.

Vierzehntes Kapitel
    in dem Lukas erkennen muß, daß er ohne seinen kleinen Freund Jim verloren wäre

    »Das ist ja gerade noch mal gutgegangen!« knurrte Lukas, schob die Mütze ins Genick und trocknete sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ich glaub’«, sagte Jim, dem der Schrecken noch in allen Gliedern saß, »durch das ›Tal der Dämmerung‹ wird nie mehr jemand kommen können.«
    »Nein«, antwortete Lukas ernst. »Das ›Tal der Dämmerung‹ gibt es nicht mehr.«
    Dann stopfte er sich seine Pfeife, steckte sie in Brand, stieß einige Rauchwolken aus und fuhr nachdenklich fort: »Das Dumme bei der Geschichte ist nur: wir können auch nicht mehr zurück.«
    Daran hatte Jim noch gar nicht gedacht.
    »O jemine!« sagte er erschrocken. »Wir müssen aber doch wieder nach Haus!«
    »Ja, ja«, antwortete Lukas, »aber es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als einen neuen Weg zu entdecken.«
    »Wo sind wir denn eigentlich?« fragte Jim bang.
    »In der Wüste«, antwortete Lukas. »Mir scheint, das hier ist das ›Ende der Welt‹.«
    Die Sonne war untergegangen, aber es war gerade noch hell genug, um zu erkennen, daß sie sich auf einer endlosen Ebene befanden, die so flach war wie eine Tischplatte. Ringsum gab es nichts als Sand, Steine und Geröll. Fern am Horizont reckte sich ein einziger baumgroßer Kaktus wie eine riesenhafte Schwurhand schwarz in den fahlen dämmernden Himmel. Die Freunde schauten zurück zu dem rot und weiß gestreiften Gebirge. Die Staubwolke hatte sich ein wenig verzogen und gab den Blick auf das verschüttete »Tal der Dämmerung« frei.
    »Wie is’ das nur gekommen?« murmelte Jim kopfschüttelnd. »Wahrscheinlich hat Emmas Gepolter sich so ungeheuer verstärkt«, antwortete Lukas, »daß die Felsen davon eingestürzt sind.«
    Er wandte sich der Lokomotive zu, klopfte sie auf den dicken Leib und sagte zärtlich:
    »Da hast du was Schönes angerichtet, meine dumme, alte Emma!«
    Emma blieb stumm und gab noch immer kein Lebenszeichen von sich. Jetzt erst bemerkte Lukas, daß irgend etwas mit ihr nicht stimmte.
    »Emma!« rief er erschrocken. »Emma, meine gute, dicke Emma, was hast du denn?«
    Aber die Lokomotive regte sich nicht. Nicht der kleinste Schnaufer war zu hören.
    Lukas und Jim blickten sich betroffen an.
    »Du lieber Himmel!« stammelte Jim, »wenn Emma jetzt …«
    Er wagte nicht, den Satz zu Ende zu sprechen.
    Lukas schob seine Mütze ins Genick und brummte:
    »War’ ja ‘ne schöne Bescherung!«
    Schnell holten sie den Werkzeugkasten unter

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