Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
es euch zeigen, wenn ich fertig bin«, versprach er. »Nur noch einen Augenblick, bitte.«
Er griff zu seiner kleinen Flasche und saugte emsig.
Lukas und Jim wechselten einen bedeutungsvollen Blick. Vielleicht konnte Fing Pong ihnen einen Weg zum Kaiser zeigen.
Während sie warteten, nahm Lukas gedankenvoll eines der Eßstäbchen, betrachtete es genauer, dann untersuchte er auch das andere und sagte schließlich: »Da steht ja was drauf. Scheint, es ist ein Gedicht.«
»Was steht denn da?« fragte Jim. Er konnte ja noch nicht selbst lesen.
Lukas brauchte eine ganze Weile zum Entziffern der Schrift, denn es waren mandalanische Buchstaben, die außerdem noch untereinander standen statt nebeneinander. So schreibt man nämlich in Mandala.
Auf dem einen Stäbchen stand:
SEH ICH DEN MOND, MEIN ÄUG’ WIRD TRÄNENBLIND - und auf dem anderen Stäbchen war zu lesen:
DURCH TRÄNENSCHLEIER GLEICHT ER MEINEM KIND.
»Das klingt aber sehr traurig«, stellte Jim fest, als Lukas die Aufschrift vorgelesen hatte.
»Ja, jemand trauert um sein Kind, wie es scheint«, antwortete Lukas. »Vielleicht ist es gestorben oder krank. Es könnte auch weit weg sein, und der Jemand ist traurig, weil er es nicht sehen kann. Zum Beispiel, wenn es geraubt ist.«
»Ja, geraubt!« nickte Jim nachdenklich. »Das könnte sein.«
»Man müßte wissen«, meinte Lukas und zündete sich seine Pfeife an, »wer das gedichtet hat.«
Fing Pong war inzwischen mit seinem Fläschchen fertig und hatte dem Gespräch der beiden Freunde aufmerksam gelauscht. Jetzt sagte er: »Dieses Gedicht, ehrenwerte Fremdlinge, hat der erhabene Kaiser verfaßt. Er hat befohlen, daß es auf alle Eßstäbchen in Mandala gemalt wird, damit wir alle immerfort daran denken.«
»Woran?« fragten Jim und Lukas zugleich.
»Wartet einen Augenblick!« antwortete Fing Pong. Er trug schnell das Geschirr in den Palast zurück. Den Lampion machte er los und behielt ihn in der Hand.
»So kommt denn, ehrenwerte Fremdlinge!« forderte er die Freunde feierlich auf und marschierte los. Doch schon nach wenigen Schritten blieb er stehen und drehte sich um. »Ich habe eine Bitte«, gestand er verschämt lächelnd. »Ich würde überaus gern einmal auf der Lokomotive fahren. Ließe sich das vielleicht einrichten?«
»Warum nicht!« erwiderte Lukas. »Du mußt uns nur sagen, wohin wir fahren sollen.«
Jim nahm den kleinen Fing Pong auf den Arm, dann stiegen sie ein und dampften los.
Ein bißchen Angst schien Fing Pong doch zu haben, obgleich er tapfer und höflich lächelte.
»Das geht aber sehr schnell!« piepste er. »Die nächste Straße bitte links - ich glaube -« und dabei strich er sich sorgenvoll über sein pralles Bäuchlein - »jetzt bitte rechts - ich glaube, ich habe - jetzt geradeaus - ich glaube, ich habe meine Milch etwas zu schnell getrunken - jetzt über die Brücke, bitte - das ist für Kinder in meinem Alter - immer gradeaus - Kinder in meinem Alter nicht bekömmlich - nochmals rechts bitte - gar nicht bekömmlich - oh, geht das aber schnell!«
Wenige Minuten später waren sie auf einem anderen Platz angelangt, der kreisrund war. In der Mitte stand ein riesengroßer Lampion, so groß wie eine Litfaßsäule. Er leuchtete dunkelrot. Das sah sehr merkwürdig und ein wenig unheimlich aus auf dem großen leeren Platz, der im blauen Mondlicht vor ihnen lag.
»Halt!« sagte Fing Pong gedämpft. »Wir sind da. Hier ist der Mittelpunkt von Mandala. Und dort, wo der große Lampion steht, ist genau der Mittelpunkt der Welt. Das haben unsere weisen Männer ausgerechnet. Deshalb heißt dieser Platz einfach: Die Mitte.«
Sie hielten Emma an und stiegen aus.
Als sie auf den großen Lampion zugingen, sahen sie, daß etwas darauf geschrieben war. Wieder mit mandalanischen Buchstaben und untereinander. Es sah so aus:
I
K
E
F
M
P
D
Z
D
D
B
C
A
R
E
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I
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L
C
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Nachdem Lukas die Aufschrift entziffert hatte, stieß er einen überraschten Pfiff aus.
»Was steht denn da?« wollte Jim wissen.
Lukas las es ihm vor.
Der kleine Fing Pong war inzwischen immer unruhiger geworden.
»Ich habe meine Milch wirklich zu schnell getrunken«, murmelte er ein paarmal sorgenvoll vor sich hin. Und plötzlich rief er: »Ach, du gütiger
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