Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)
denn
wenn die Platte von keinem Label genommen wird, bleibt Schleiter auf den
Schulden sitzen. Duesenberg legen sich mächtig ins Zeug, engagieren Gastmusiker
wie Karl Allaut aus der Band von Udo Lindenberg, Hamburgs seinerzeit teuersten
Bassisten Anselm Kluge und den Studioschlagzeuger Peter Franken. Joachim Witt
beschränkt sich auf seine Rolle als Sänger. Der Plan des Trios geht auf: Nur
einer einzigen Plattenfirma müssen sie das selbstbetitelte Debüt vorspielen -
und bekommen prompt einen Vertrag. Auf dem Label Strand des
Branchenriesen Teldec erscheint 1977 das Debüt «Duesenberg» und verkauft sich
etwa 17 000 Mal. Schleiter kann seinen Kredit zurückzahlen, und Witt glaubt zum
ersten Mal in seinem Leben daran, irgendwann mit der Musik seinen
Lebensunterhalt bestreiten zu können. Vorerst allerdings bleibt Joachim
bettelarm.
Nur, wenn Duesenberg auf Tour sind und ihre Platte promoten, merkt er von
seiner finanziellen Misere nichts. Die Band wohnt in schicken Hotels, speist
von den feinsten Büffets, riecht am Luxus. Wieder zuhause in Hamburg, weiß Witt
nicht einmal, wovon er den Wochenendeinkauf bezahlen soll. Armut pur; er muss
Sozialhilfe beantragen. Obwohl die Band 1979 noch ein weiteres Album mit dem Titel
«Duesenberg 2» herausbringt und 1980 für die LP «Strangers» sogar den Deutschen
Schallplattenpreis in der Kategorie «Beste Nachwuchsband» holen kann, ändert
sich Witts Lebenssituation nicht. Duesenberg erzielen Achtungserfolge; unterm
Strich verdient das Trio aber keine müde Mark. Hinzu kommen Streitigkeiten mit
Wolfgang Schleiter, der auf Joachims Vorwurf, Duesenberg seien angesichts von
New Wave und Punk veraltet, mit Unverständnis reagiert. Duesenberg treten auf
der Stelle, und abermals sind die Anzeichen von festgefahrenen Strukturen
der Grund, weshalb Joachim die Flucht ergreift. Auslöser aber ist etwas ganz
anderes.
«Herr Witt, wir sind nicht länger bereit, ihr Hobby zu finanzieren. Suchen sie
sich bitte einen richtigen Job». Diese Worte einer Beamtin des Sozialamts in
Hamburg wird Witt sein Leben lang nicht vergessen. Er beschließt, Duesenberg zu
verlassen und fortan als Solokünstler zu arbeiten - in der Hoffnung, aus seinem
Musikerdasein, dass die Dame vom Amt als Freizeitspaß abgetan hatte, einen
richtigen Beruf machen zu können. Sein Freund Harry öffnet ihm dafür
sprichwörtlich die Tür: Er überlässt Joachim die Schlüssel seiner
Souterrainwohnung in Hamburg, solange er im Urlaub ist. Sogar ein Vierspurgerät
und eine Drummachine sind dort vorhanden. Für Witt folgen die wichtigsten zwei
Wochen seiner künstlerischen Karriere. In diesen 14 Tagen im Sommer 1979
schreibt, textet und arrangiert er die Urversionen sämtlicher Songs für ein
Album, das er später «Silberblick» nennen wird. Er spielt alle Instrumente
selbst, nur den Schlagzeugpart übernimmt die Elektronik. Das Ergebnis ist eine
Sammlung von neun extravaganten, hintergründigen und immer etwas schrägen
Songs, die sich bewusst von Jugendvorbildern wie Beatles und Beach Boys
entfernt. Stattdessen kommen die Inspirationen vom Krautrock der Mittsiebziger
- Kraftwerk, Can, Amon Düül. Allerdings geht es Joachim nicht so sehr um die
Musik an sich, sondern um den Gedanken der absoluten künstlerischen
Freiheit, der bei den Krautrockern und ihren ellenlangen Klangorgien im
Vordergrund gestanden hatte.
Schon seit vielen Monaten, noch vor Veröffentlichung des dritten Albums von
Duesenberg, hatte Witt mit dem Gedanken gespielt, eine Platte abseits jeglicher
Vorgaben und Muster zu produzieren; Songs und Texte zu schreiben, wie es bisher
noch niemand im deutschen Sprachraum gewagt hat. Er will nicht weniger als eine
epochale Umwälzung der deutschen Musiklandlandschaft. Joachim sieht die Zeit
gekommen für eine neue deutsche Musikströmung - dass genau diese tatsächlich
bevorsteht und er ein grundlegender Teil dieser Welle werden wird, ahnt er
nicht. Obwohl er durch Duesenberg kein unbeschriebenes Blatt in der Branche
ist, kommen seine verschickten Demos alle mit dem gleichen Schreiben zurück:
«Wir wünschen Ihnen bei Ihrer weiteren Laufbahn viel Erfolg». Einen letzten
Versuch startet Witt bei WEA Records, einer Tochter des Mediengiganten Warner.
Diesmal schickt er kein Tape, sondern stattet den Büros der Firma in Hamburg
einen persönlichen Besuch ab.
Joachim erlebt in den kahlen Räumen der WEA den bis dahin mit Abstand
glücklichsten Moment seines Lebens. A&R-Assistent Peter Köpke, der sich
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