Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)
gemacht.
Unter dem Eindruck des gefloppten Debüts widmet sich Joachim der
Schauspielerei. Im Hamburger «Grünspan» findet er sein erstes Engagement: Dort
probt eine freie Theatergruppe das Undergroundmusical «Gorilla Queen» von
Ronald Tavel, einem New Yorker Schriftsteller, der neben der Theaterarbeit
unter anderem auch für den Popartkünstler Andy Warhol Drehbücher geschrieben
hatte. Die Gruppe sucht noch Schauspieler für die Affenrollen, und auf bizarre
Art findet es Joachim passend, bei seinem ersten Engagement einen Primaten zu
geben. Sich vor einem Publikum zum Affen zu machen, davor hatte Witt noch nie
Scheu.
Sein neuer Plan: Schauspielschule. Er bewirbt sich an der Hochschule für Musik
und Theater Hamburg; er weiß seit «Gorilla Queen», dass sein Talent in dieser
Sparte für eine berufliche Laufbahn ausreicht. Und Talent beweist Joachim
schließlich auch bei der Aufnahmeprüfung, allerdings keine Disziplin: Den
verlangten Text lernt er zwar, aber bei weitem nicht so intensiv, dass er ihn
in jeder anzunehmenden Situation abrufen könnte. Während des Vorspielens ist er
aufgeregt, kommt ins Stocken, vergisst schließlich ganze Absätze. Die Jury kann
gar nicht anders, als ihn durchfallen zu lassen - eine schwere Niederlage für
Witt. Aber die Hochschule ist von seinen Fähigkeiten überzeugt und will Joachim
beim nächsten Mal - in einem Jahr - eine zweite Chance geben. So lange wird
Joachim aber nicht warten.
«Wer's bei Frese schafft, der schafft's auch beim Theater» - dieser Spruch
überzeugt Witt, sich noch im selben Jahr beim halbstaatlichen Schauspielstudio
der Theaterlegende Hildburg Frese zu bewerben. Frese gilt als äußerst harte
Lehrerin, aber Joachim hat aus seinen Fehlern gelernt und eingesehen, dass ein
klein wenig Disziplin - zumindest vor Prüfungen - nicht schaden kann. Diesmal
wird er angenommen: Sein Text sitzt, das Spiel ist akzentuiert, Joachims
Ausstrahlung zieht die Prüfer in ihren Bann. Er hat sein Publikum überzeugt.
Sein Publikum - die Lehrer - überzeugen ihn allerdings nicht, wiedermal.
Die konsequente Ablehnung starrer Muster und Strukturen zieht sich wie ein
roter Faden durch Joachim Witts Leben, auch in seiner Zeit als Schauspieler.
Wenn er ein und denselben Satz Dutzende Male wiederholen muss, bis der
Lehrkörper zufrieden ist, verliert Joachim jegliches Gespür für das Gesagte, er
fühlt sich nur noch eingezwängt und abhängig. Auch der obligatorische Lehrstoff
wie Theatergeschichte oder Literaturtheorie langweilen ihn zu Tode. Überhaupt,
der Unterricht ist für ihn eine Qual. Bis auf Fechten, Tanz und Improvisation
interessiert ihn rein gar nichts. Er ahnt: Auch mit der Schauspielerei wird es
nicht lange gutgehen.
Der entscheidende Moment, das Theater aufzugeben, kommt 1975 bei den Proben für
«Cyrano de Bergerac». Joachim hatte sich neben der Schauspielschule am
Hamburger Thalia Theater als Statist verdingt, um seinen Unterhalt zu
finanzieren. Regisseur Jürgen Flimm will den jungen Witt testen, ihm eine
Chance geben, seinen Posten als Statist zu verlassen. Vor versammelter
Mannschaft - in diesem Fall Hamburgs Theaterelite - fordert Flimm ihn auf,
einen kompletten Absatz vorzutragen. Ohne Ankündigung, ohne Vorbereitungszeit.
Joachim versagt. Mit puterrotem Kopf, gehetzter Stimme und ohne jede
Körpersprache. Ihm ist klar: Solche Chancen bekommt man beim Theater nicht
zweimal. Witt sagt dem Theater adieu.
Joachim trifft eine vor allem ökonomisch schwierige Entscheidung: Von nun an
soll es für ihn nur noch die Musik geben. 1976, ein Jahr vor seinem Abgang vom
Theater, hatte er mit seinen Jugendfreunden Harry Gutowski und Wolfgang Schleiter
die Band Duesenberg gegründet, benannt nach der gleichnamigen amerikanischen
Automarke. Die Gruppe spielt gradlinigen Westcoastrock, textet auf Englisch und
überzeugt vor allem durch perfekten Satzgesang von Joachim, Harry und Wolfgang,
die sich ihre Inspirationen dafür von den Beach Boys holen. Eine
vielversprechende Mischung, aber dem Trio ist klar, dass es nicht einfach wird,
eine Plattenfirma von der Mixtur zu überzeugen. Ein simples Demoband, da sind
sich die drei sicher, wird jedenfalls nicht reichen.
Trotz der prekären finanziellen Lage der drei Duesenbergs gelingt es Wolfgang
Schleiter, der Band einen Kredit über 30 000 Mark zu besorgen. Damit soll die
Produktion eines kompletten Albums bezahlt werden, das dann, so der Plan,
direkt einer Plattenfirma angeboten wird. Ein risikoreiches Unterfangen,
Weitere Kostenlose Bücher